Bauernverband Schleswig-Holstein: Perspektiven für die Milcherzeugung!
Thesenpapier des Bauernverbandes Schleswig-Holstein
„Perspektiven für die Milcherzeugung in Schleswig-Holstein“
Oder:“ Neuer Wein in alten Schläuchen“
Folge 1 (1-4)
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In Schleswig-Holstein werden derzeit ca. 2,5 Milliarden Kg Milch jährlich produziert. Die Jahresproduktionsmenge in Schleswig-Holstein steigt langsam aber kontinuierlich auch als Folge der europaweit einsetzenden Verlagerung der Milchproduktion an die Gründlandstandorte. Diese Entwicklung ist durch den Wechsel in der Agrarpolitik weg von einer gesicherten Marktordnung hin zum Markt gekennzeichnet. Während europaweit die Milchproduktion stagniert ist die Entwicklung in den einzelnen Regionen ganz unterschiedlich. Schleswig-Holstein mit seinen natürlichen und strukturellen Standortvorteilen profitiert von der Marktöffnung und baut die Milchproduktion aus. Die hiesige Milchproduktion ist durch leistungsfähige Familienbetriebe gekennzeichnet, die günstige Kostenstrukturen aufweisen, wobei die Effektivität eines Betriebes nicht unbedingt von der Größe abhängig ist. Die gute fachliche Ausbildung der Betriebsleiter ist ebenfalls eine wesentliche Voraussetzung. Die enge Zusammenarbeit zwischen Erzeugern und Bauernverband sowie der Administration der Wirtschaft und der Wissenschaft sind weitere Argumente für den Milchstandort Schleswig-Holstein. Wir können daher selbstbewusst in die Zukunft blicken. Damit Schleswig-Holstein auch künftig für die Milchproduktion ein attraktiver und vorteilhafter Standort bleibt, wollen und werden wir weiter aktiv an der Gestaltung der Rahmenbedingungen mitwirken. Im Mittelpunkt aller Überlegungen und Aktivitäten steht dabei der unternehmerisch geführte Familienbetrieb. In dieser Hinsicht wird im Folgenden eine berufsständische Positionierung vorgenommen:
Anmerkungen: Zwar ist es richtig, dass Schleswig-Holstein ein guter Milchstandort ist. Aber - er ist nur einer unter vielen! Auf eine Produktionsausweitung der Milchmenge spekuliert nicht nur Schleswig-Holstein sondern fast alle Bundesländer sind mit von der Partie. Die Aussage Schleswig-Holsteins, man könne nach dem Wegfall der Quote leicht und locker 3.8 Milliarden Milch produzieren, hat alle anderen Bundesländer aufgeschreckt und mobilisiert. Wo und wie denn diese Mehrmenge, die bei der anzunehmenden Produktionsausweitung nach Quotenende keinen Markt findet, verwertet werden soll, bleibt das Geheimnis des Bauernverbandes. Die hauptamtlichen Strategen des Bauernverbandes müssen ja nicht melken und tragen somit auch nicht das Risiko. Auch die Zusammenarbeit des Bauernverbandes mit seinen Mitglieder – sprich den Milchbauern – ist eine Farce. Die Milcherzeugervereinigung Schleswig-Holstein e.V., die vom Bauernverband getragen und mit Mitteln der Milchindustrie verwaltet wird, finanziert die Milchindustrie. Natürlich – wie kann es anders sein -auf Kosten der Milchbauern. Dass bei dieser Konstruktion die Interessen der Milchbauern im Zweifelsfall auf der Strecke bleiben, versteht sich von selbst. Der unternehmerisch geführte Familienbetrieb kann nur überleben, wenn die Vollkostendeckung der Durchschnittsbetriebe in der Milchproduktion zur Regel wird. Mit der Kamikaze-Politik des Bauernverbandes Schleswig-Holstein wird gerade diese Regel zur Ausnahme gemacht(75 Prozent der Betriebe müssen „eben“ verschwinden).
1. Markt
These: Für den wirtschaftlichen Erfolg der Milchviehhalter ist in erster Linie der Markt verantwortlich, nicht mehr die Politik.
a) Mit dem Wegfall der Milchquote zum 31.03.2015 wird die Milchwirtschaft endgültig in den Markt entlassen. Damit haben weder Verbände noch Politik die Möglichkeit, grundsätzlich preisbestimmend in den Markt einzugreifen. Nach den Erfahrungen mit mehr als 50 Jahren europäischer Agrarpolitik wird deutlich, dass der Markt noch am besten in der Lage ist, die Entwicklung der Milchwirtschaft effizient auszurichten. Deshalb ist der Weg aus der Quote richtig und unumkehrbar.
Anmerkungen: Es ist eigentlich müßig immer wieder zu erklären, dass es „den Markt“ nicht gibt. Nicht der Markt ist das entscheidende, sondern die Rahmenbedingungen unter denen sich das Marktgeschehen vollzieht.
b) Derzeit befinden sich Milcherzeuger und Meiereien in einer Umbruchphase, die für alle Beteiligten große Herausforderungen mit sich bringt. Meiereien und Milcherzeuger müssen lernen, mit schwankenden Märkten umzugehen. Wir wollen so viele Milcherzeuger wie möglich auf diesem Weg mitnehmen. Wir sind der Überzeugung, dass unsere Betriebe und auch die Meiereien am Ende dieser Phase wettbewerbsfähiger denn je da stehen und die Milchproduktion unseren Erzeugern
eine Zukunft bietet.
Anmerkungen: Wie soll das geschehen? Dazu gibt es vom Bauerverband keine Antwort! Oder will er zurzeit keine Antwort geben? Dabei befinden sich schon Denkansätze in der Pipeline, die auch der Bauernverband kennt, denn er wirkt am Zukunftsprojekt Milchwirtschaft mit. Erste Ergebnisse wurden durch Prof. Dr. Uwe Lataz-Lohmann im Rahmen der Hülsenberger Gespräche bekanntgegeben. Danach haben die 100 Kuhbetriebe ausgedient. Es leben in Zukunft die 240-300er Kuhbetriebe! Das bedeutet für Schleswig-Holstein, dass von den zurzeit 5.300 Milchviehbetrieben 75 Prozent ausscheiden müssen. Damit nicht genug: Die Dänen sind schon einen Schritt weiter: Arla (Meiereigenossenschaft) empfiehlt den Milchviehbetrieben auf 500 Kühe aufzustocken!- trotz hoher Verschuldung der Betriebe. (Quelle: http://www.schaumann-stiftung.de/deutsch/2/pb.php3)
Auf meine Anfrage an den Bauernverband, wie er denn zur Version des Professors steht, habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Nur die Landwirtschaftkammer hat sich sachlich geäußert. Hut ab!
c) Die nationale wie europäische Agrarpolitik muss sicherstellen, dass unsere Milcherzeuger nicht durch wettbewerbsverzerrende Maßnahmen benachteiligt werden. Der Markt muss den Rahmen setzen, unter dem die Milchwirtschaft sich fortentwickelt. Die Politik muss sich darauf beschränken, Fehlentwicklungen entgegen zu treten.
Anmerkungen: Das ist eine Denkstruktur, die auf dem Kopf steht.. Nicht der Markt muss den Rahmen bilden, sondern im einem „gesetzten Rahmen“ bildet sich der Markt. Und dieser Rahmen steht schon (fast) fest. Weitere Öffnung des Marktes, Abbau der Exportsubventionen, Abbau der Importzölle und Abschmelzung der Transferleistungen an die Landwirtschaft.D.h.im Klartext: Unter diesen (weltweiten) Bedingungen ist auch in Schleswig-Holstein die Milchproduktion zurzeit nicht gewinnbringend. Bei Vollkosten der besten Betriebe des Landes von 37,54 Cents/kg/Milch ist auch Schleswig-Holstein gegenüber den Bestregionen der Welt, die Vollkosten von 20-27 Cents/kg/Milch aufweisen, nicht wettbewerbsfähig. Darauf hinzuweisen, wäre eigentlich Sache des Bauerverbandes, damit eine Verbandspolitik umgesetzt werden kann, die vielen Milchbauern das Überleben sichert. Stattdessen übernimmt er gedankenlos die Unternehmensphilosophie der Global-Player.
2. Agrarpolitik
These: Verantwortungsvolle Agrarpolitik gibt den Rahmen vor, bietet eine Grundsicherung und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit; im Markt muss sie sich zurückhalten.
a) Die Milcherzeuger Schleswig-Holsteins erwarten von der Landesregierung die sofortige Wiederaufnahme der Investitionsförderung. Die Landesregierung beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit unserer Milcherzeuger, in dem sie nicht nur deutlich weniger als andere Regionen Investitionen fördert, sondern die Förderung gänzlich eingestellt hat. Damit geht den Milcherzeugern auch der EU Kofinanzierungsanteil verloren. Durch die entstandene Wettbewerbsverzerrung werden unsere Betriebe gerade auch gegenüber anderen guten Milchproduktionsstandorten wie z. B. Weser-Ems oder Mecklenburg-Vorpommern benachteiligt. Die derzeitige Situation in Schleswig-Holstein ist für unsere
Milcherzeuger nicht akzeptabel. Es sind Lösungen zu überlegen, wie der nicht aufbringbare Landesanteil anderweitig, zu finanzieren ist. Zielsetzung muss es sein, eine bundeseinheitliche Vorhergehensweise bei der Investitionsforderung zu erreichen, damit die Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Regionen nicht länger verzerrt wird.
Anmerkungen: Es ist ein Stück aus dem Tollhaus Investitionen für den Ausbau der Milchproduktion zu fordern, wenn der Markt dafür nicht da ist. Stattdessen müssen die Investitionen der Marktlage angepasst werden. In diese Richtung muss der Bauernverband deutliche Zeichen setzten, wenn es sich wirklich für die bäuerliche Landwirtschaft einsetzen will.
b) Bis zum Auslaufen der Milchquote 2015 ist national dafür zu sorgen, dass das Quotenrecht vereinfacht wird. Die derzeit noch gültigen Regelungen, die Betriebsübernahmen, Gesellschaftsgründungen oder Quotenerwerb mit besonderen Bedingungen versehen, sind ersatzlos zu streichen. Es muss darum gehen, den Betrieben Entwicklungsmöglichkeiten trotz der noch existierenden Quote einzuräumen, statt diese durch das Quotenrecht zu behindern!
Anmerkungen: Betriebe können sich nur entwickeln, wenn der Markt dafür da ist. Dieser Markt ist zurzeit nicht vorhanden. Obwohl der Milchpreis sich langsam erholt, (die ersten 8 Monate des Jahres stieg der Milchpreis im Mittel auf ca. 27 Cents/kg/Milch) kann noch nicht Entwarnung gegeben werden. Eine Vollkostendeckung ist noch lange nicht gegeben. Eine unbedachte Produktionsausweitung würde alle Bemühungen zur Milchpreisverbesserung wieder zunichtemachen.
c) Die Entwertung der Milchquote ist auf europäischer Ebene konsequent in den nächsten Jahren durch entsprechende politische Maßnahmen fortzusetzen. Zu solchen Maßnahmen gehört neben der europaweiten Saldierung und Quotenanhebungen auch eine schrittweise Absenkung der Superabgabe.
Anmerkungen: Siehe oben.
d) Nachhaltige Milchproduktion setzt eine ausreichende Flächenausstattung voraus. Während sich die Milchproduktion immer mehr am Markt ausrichtet, werden die erneuerbaren Energien durch staatlich gesicherte Abgabepreise gefördert. Die dadurch entstandenen Wettbewerbsverzerrungen, sind abzubauen, um die Konkurrenz um die Flächen nicht noch weiter zu verschärfen. Darüber hinaus werden die Milcherzeuger von vielen Seiten bedrängt. Eine ausreichende Flächenausstattung der Milchviehbetriebe ist durch den Flächenverbrauch bei staatlichen Ausgleichsmaßnahmen gefährdet.
In Schleswig-Holstein verschärft sich das Problem zusätzlich durch die Aktivitäten der Stiftung Naturschutz. Zur Sicherung des Milchstandortes Schleswig-Holstein bedarf es hier dringend eine Richtungsänderung.
Anmerkungen: Die Flächenknappheit wird im Wesentlichen durch das EEG bestimmt. Man entlässt die Milchviehbetriebe in den freien Markt und zieht gleichzeitig einen „gesetzlichen Schutzwall“ um die erneuerbaren Energien. Eine Wettbewerbsgleichheit um Flächen für die Milchgewinnung /Biogas ist erst dann gegeben, wenn der Milchpreis auf über 34 Cents/kg/Milch steigt. Davon sind wir noch weit entfernt. Diese Politik der ungleichen Behandlung hat der Bauernverband massiv gefördert. Wenn er jetzt die Rolle „rückwärts“ schlägt, dann ist das nur zu begrüßen. Umwandlung von Gülle in Biogas plus Reststoffverwertung ist das Gebot der Stunde!