Bundeskartellamt: Haben die Milchbauern wieder einmal das Nachsehen?

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

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Bundeskartellamt: Haben die Milchbauern wieder einmal das Nachsehen?

Oder: Die Rolle rückwärts des Bundeskarellamtes!

 

Kommentar vom SV Karl-Dieter Specht

 

Eine Stellungnahme des Bundeskartellamtes zur Veröffentlichungen von zeitnahen Milchpreisvergleichen zwischen den einzelnen Molkereien sorgt für helle Aufregung in der Branche(Anlass: Anfrage der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH, Bonn (AMI)).

 

Exkurs: Die Agrarmarkt Informations-GmbH wird schwerpunktmäßig in Bonn tätig sein; formaler Sitz der Gesellschaft ist Berlin. Mit dem Aufbau der Gesellschaft wurde Carl von Butler als Geschäftsführer betraut.

Gesellschafter: Landwirtschaftsverlag GmbH (25,01%) ,Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH (25,01%) ,Deutscher Fachverlag GmbH (10%) ,Landwirtschaftsverlag Hessen GmbH  Hans Holzmann Verlag GmbH ,Verband der Landwirtschaftskammern (VLK) ,Deutscher Bauernverband (DBV) ,Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd ,Zentralverband Gartenbau (ZVG) ,Deutscher Raiffeisenverband (DRV) ,Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) ,Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) ,Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) ,Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) ,Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)  u. Deutscher Verband Tiernahrung (DVT ).

Die AMI wird im Wesentlichen vom Deutschen Bauernverband beherrscht.  Sie finanziert sich über den Verkauf von Marktinformationen und ist auf Aufträge aus der Industrie angewiesen.

Um was geht es? Es geht um die Frage, ob eine zu hohe zeitnahe Markttransparenz  (Milchpreisspiegel) Preisabsprachen in Bezug auf den Milchgeldauszahlungspreis an die Milchbauern  fördert oder ob eine solche Transparenz den Wettbewerb einschränkt gemäß den gesetzlichen Vorgaben des Kartellrechts.

 

1. Markttransparenz im Bereich der Rohmilcherfassung

 

Bundeskartellamt: Der Bereich der Rohmilcherfassung und –verarbeitung ist bereits heute sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern von einem hohen Maß an Transparenz gekennzeichnet. Neben den auf gesetzlichen Grundlagen beruhenden Pflichtmeldungen u.a. zur Rohmilcherfassung gibt es sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern eine Vielzahl von Organisationen/Institutionen und Unternehmen, die Meldungen über Anlieferungsmengen von Rohmilch und Milchauszahlungspreise von Molkereien und Erzeugern, sammeln, aufbereiten und veröffentlichen. Dabei ist der Milchauszahlungspreis der wichtigste Wettbewerbsparameter auf der Beschaffungsseite für die Molkereien und der wesentliche Kostenfaktor einer Molkerei bei Produktion und Absatz von Molkereiprodukten. Das Bundeskartellamt will aber schrittweise sicherstellen, dass die vielzähligen am Markt vorhandenen Marktinformationssysteme im Bereich der Milcherfassung kartellrechtskonform ausgestaltet sind, ohne dass den Milcherzeugern notwendige Basisinformationen über die Auszahlungspraxis der Molkereien vorenthalten werden( Quelle: Bundeskartellamt)

Anmerkungen:Die Vielzahl der von unterschiedlichen Organisationen angebotenen Milchpreisvergleiche lassen sich so ohne Weiteres nicht miteinander vergleichen. Zu unterschiedlich sind die Parameter der Meiereien in Bezug auf die Berechnung des Milchgeldauszahlungspreises. Bonuszahlungen, Treueprämien, Mengengzuschläge, Nachzahlungen usw. lassen einen zeitnahen Vergleich nur bedingt zu. Insoweit sind objektive Milchpreisvergleiche erst im Nachhinein möglich.

Beispiel:Er (Garantiepreis) ist unabhängig vom Ergebnis von FrieslandCampina. Grundlage für diesen Garantiepreis sind die Preise für Erzeugermilch in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Belgien. Der Leistungszuschlag ist dagegen von den finanziellen Ergebnissen des Unternehmens FrieslandCampina und von der beschlossenen Rücklagenpolitik abhängig(Quelle: Friesland Campina)

Anmerungen: D.h. die zurzeit veröffentlichten Milchpreisvergleiche sind kaum dazu geeignet, Preisvergleiche und Verhandlungspositionen der Marktpartner daraus abzuleiten. Marktpartner in der „gängigen Praxis“ sind die Molkereien - organisiert im MIV- und der LEH/ Discounter.

Insoweit hat das Bundeskartellamt der AMI aufgegeben, identifizierende Daten (also den Auszahlungspreis pro Molkerei oder pro Betriebsstätte einer Molkerei) nur dann zu veröffentlichen, wenn die veröffentlichten Daten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mindestens sechs Monate alt sind (Quelle: Bundeskartellamt).

Anmerkungen:  Wenn nun, wie vom Bundeskartellamt gefordert, Preisvergleiche erst im Nachhinein möglich sind, dann verfügen die Marktpartner trotzdem über entsprechende Informationen, um dieses „mögliche Defizit“ auszugleichen. Die Marktpartner sind als nicht unbedingt auf die Informationen angewiesen. Sie beschaffen sich die Informationen über andere Kanäle.  Die Milchbauern als „untergeordnete Marktpartner“ der Milchindustrie werden von dieser neuen Regelung nicht profitieren. Im Gegenteil: Bar jeder aktuellen Preisorientierung müssen die Milchbauern bei ihren Verhandlungen mit den Meiereien „blinde Kuh“ spielen. Darüber hinaus werden die Milchbauern ihre Entscheidung zum Meiereiwechsel nicht nur nach dem zeitnahen Milchgeldauszahlungspreis ausrichten, sondern die Nachhaltigkeit des Milchpreises über mehrere Jahre hin wird in die Entscheidung eines Wechsels mit einbezogen. Als Zusatzinformation dient die aktuelle Preisorientierung den Milchbauern dazu, einen „gewissen“ Druck auf ihre Meierei auszuüben, wenn sie hinter dem Orientierungsmilchpreis hinterherhinkt. Gleichwohl kann es  auch sein, dass ein regional oder national niedrig ermittelte Preisorientierung leistungsfähige Meiereien  davon abhält, mehr Milchgeld an die Milchbauern auszuzahlen. Kurzum: In der Bilanzierung der Vor-und Nachteile kommt man nicht umhin, die Vorschläge des Bundeskartellamtes für die Milchbauern als nicht dienlich zu bezeichnen. Insoweit wird die Absicht des Bundeskartellamtes, die Marktstellung der Milcherzeuger zu stärken, mit diesen Vorschlägen zum Rohrkrepierer..

Bundeskartellamt:Obwohl durch die fortschreitende Konsolidierung auf Molkereiebene die Erfassungsradien für Rohmilch größer werden, handelt es sich nach wie vor um Regionalmärkte, nicht um einen bundesweiten Erfassungsmarkt. Die einzelnen Regionalmärkte weisen eine teilweise erheblich voneinander abweichende Wettbewerberstruktur auf (Quelle: Bundeskartellamt).

 

Anmerkung: Mit dieser Situation sollte (muss)  sich das Bundeskatellamtes mal befassen( hier muss das Bundeskartellamt nachbessern). Im Zuge der Neuausrichtung der Milchindustrie zu immer größeren Strukturen (siehe Nordmilch/Humana ( DMK) , Arala-/ Hansa/u.U. auch Allgäuland ( Arla) u. Friesland Campina ) kommt es vermehrt zu weitreichenden Kooperationen zwischen diesen Global-Playern.

 Beispiele: Das Deutsche Milchkontor (DMK) und der dänisch-schwedische Milchverarbeiter Arla Foods gründeten vor wenigen Tagen das Gemeinschaftsunternehmen „ArNoCo“ (Quelle: Eilte) 

DMK: Auch die Zusammenarbeit mit den großen europäischen Wettbewerbern Arla (Dänemark) und FrieslandCampina (Holland) soll ausgebaut werden. Nach dem Ausstieg aus der staatlichen Milchquote in 2015 werde es beim DMK keine Mengenbegrenzung geben, versichert Schwaiger(Quelle: topagrar).

Anmerkungen: Diese enge Partnerschaft in Verbindung mit einer unbegrenzten Liefergarantie kann dazu führen, dass zwischen den Konzernen Preisabsprachen  getroffen werden, die die Milchbauern benachteiligen können. Aufgrund der Markmacht der Konzerne wird es für die Milchbauern immer schwieriger gegen den Willen der Konzerne die Molkerei zu wechseln. Denn diese können auf die kleinen Mitbewerber Druck  dergestalt ausüben, dass diese (angeblich) nicht mehr die Milchmengen des abtrünnigen Milchbauern aufnehmen können. Wie ist es denn zu erklären, dass 90 Prozent der Kündigungen  bei  der Nordmilch wieder zurückgenommen wurden, obwohl Nordmilch weiterhin Schlusslicht im  „nachgelagerten Auszahlungsvergleich“ ist. Betriebswirtschaftlich und unternehmerisch gesehen macht eine Rücknahme der Kündigung keinen Sinn. Mit der Rücknahme der Kündigung verzichten die Milchbauern freiwillig (oder nicht) auf Milchgeldeinnahmen. Es müssen also andere Gründe vorliegen, die zu diesem nicht nachvollziehbaren Sinneswandel geführt haben.

 

 

Milchpreise im 5-Jahresdurchschnitt

 

Rang

Jahresanlieferung

500.000 kg

Ct/kg

Rang

Jahreslieferung

800.000 kg

Ct/kg

1

Milch-Union-Hocheifel

1,33

1

Friesland-Campina

1.43

2

Friesland Campina

1,26

2

Milch-Union-Hocheifel

1,43

3

Hochwald

1,11

3

Hochwald

1,15

4

Walhorn

0,82

4

Walhorn

0,70

5

Dr. Oetker

0,58

5

Dr.Oetker

0,63

6

Wiegert I

0,24

6

Wiegert I

0,24

7

Friesland CampinaGT

0,10

7

FrieslandCampina GT

0,05

8

Naarmann

-0,03

8

Naarmann

0,01

9

Humana-Milchunion

-0,10

9

Wiesehoff

-0,04

10

Paul Mertes

-0,15

10

Paul Mertes

0,011

11

Wiesehoff

-021

11

Humana- Milchunion

-0,29

12

Wagenfeld

-0,36

12

Wagenfeld

-0,45

13

Frischli

-0,54

13

Frischli

-0,51

14

Wiemo

-0,72

15

Wiemo

-0,62

15

Bermes

-1,55

15

Bermes

-1,63

16

Nordmilch

-1,55

16

Nordmilch

-1,63

Quelle: Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe; Milchpreisvergleich; 21/2011 Jahr

 

Anmerkungen: Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass bei der Rücknahme der Kündigungen von Seiten der Nordmilch dergestalt nachgeholfen wurde, indem keine Meiereien nicht bereit waren, die Milchmengen der Abtrünnigen zu übernehmen. Das Bundeskartellamt wäre für diesbezügliche Hinweise sehr dankbar. Milchbauern, die davon betroffen sind(waren) oder denen ähnliches passiert ist, können sich unter der Telf.-Nr. 0228/9499525 oder via Mail (eva.maria.schulze@bundeskartellamt.bund.de)vertrauensvoll an das Bundeskartellamt wenden.

 

Anmerkungen: Auch wurde mir des Öfteren berichtet, dass Milchbauern, die als Querdenker eine andere Auffassung zur Milchpolitik vertreten als die Milchindustrie und diese auch noch öffentlich machen, oft Probleme unterschiedlicher   Art mit ihrer Molkerei haben. Insbesondere dann, wenn sie aktiv sind. Wohlgemerkt, das sind nur Hinweise, die nicht unbedingt stimmen müssen. Wer ähnliches erlebt hat und die Probleme benennen kann, kann  sich bei mir melden. Alle Angaben werden vertraulich behandelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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