Gemeinsame Agrarpolitik bis 2020 – was nun Frau Ministerin Aigner? (2. Folge)

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

 

 

 

 

EMB-Fougeres-13-09-10-015-TGemeinsame Agrarpolitik bis 2020 – was nun Frau Ministerin Aigner? (3 Folgen)

                                                                 Folge2

 

Kommentiert vom SV Karl-Dieter Specht

 

 Produktionskostenunterschiede je nach Betriebsgröße

 

Beispiel :  Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein

 

Milchvieh-

bertrieb

bis

50 Kühe

Milchvieh-

betrieb

mit 50-75

 Kühen

Milchvieh-

betrieb

mit 75-100 Kühen

Milchvieh-

betrieb

mit 100-150 Kühen

Milchvieh-

betrieb über

150

 Kühe

Vollkosten/

Cents

kg/Milch ECM

 

44,57 (1)

 

42,35

 

39,48

 

38,43

 

37,38

Minus Mengen-

Zuschlag

Cents/kg

Milch

 

-------(2)

 

-0,75

 

 

 

-1,14

 

-1,27

 

-1,27

Marktrelev.Vollkosten

Cents/

kg/Milch ECM

44,57(3)

41.61

38,34

37,16

36.11

(1)     Quelle. Rinderspezialberatung), (2) Quelle: Mengenstaffelung Friesland/Campina( Nordmilch hat auf meine Anfrage hin nicht geantwortet) (3) Quelle: Eig. Berechnungen

 

Anmerkungen: Die unterschiedlichen Produktionskosten aufgrund der unterschiedlichen Betriebsgrößen müssen  um die Mengenzuschläge bereinigt werden, damit man einen „marktrelevanten“ Vollkostenvergleich erhält. Somit beträgt unter Marktbedingungen die Streubreite der Vollkosten, je nach Betriebsgröße, 8,46 Cents/kg/Milch. Diese Mengenzuschläge setzen sich immer mehr durch und sind somit zu berücksichtigen. Bei den vergleichenden Betrieben handelt es sich um Durchschnittsbetriebe der Rinderspezialberatung.

Diese Aufstellung macht deutlich, dass eine gestaffelte Grundsicherung zwingend geboten ist, wenn man unterschiedliche Strukturen, wie oben dargelegt, erhalten will. Eine Staffelung ist so zu gestalten, dass eine generationsübergreifende Strukturanpassung nicht behindert wird.

Ciolos: „Diese Änderungen an der Konzeption der Direktzahlungen sollten mit einer besseren Definition und Ausrichtung der Unterstützung ausschließlich auf aktive Landwirte einhergehen, womit auf die Kritik des Europäischen Rechnungshofs eingegangen würde.“

 

 Zahlungen nur an aktive Landwirte:

Häusler:“ Es stellt sich zudem die Frage der aktiven Landwirte. Wir wurden in den letzten Jahren vom Europäischen Rechnungshof und vom Parlament dafür kritisiert, dass wir Beihilfen an Empfänger zahlen, die mit der Landwirtschaft direkt nichts zu tun haben. Das betrifft zum Beispiel Beihilfen an Golfplätze, Eisenbahnlinien oder Flugplätze. Das wollen wir künftig vermeiden. Dazu müssen die Regeln verändert werden“ Quelle:( Georg Häusler Kabinettschef von Dacian Cioloş, EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung).

Anmerkungen: In zunehmendem Maß engagieren sich kapitalstarke Investoren in der landwirtschaftlichen Produktion.  Die Investoren  kaufen sich nur an bevorzugten Standorten ein, die eine gute Rendite erwarten lassen. Mit  Kapital ausgestattet, sind sie jederzeit in der Lage bodenständige Betriebe „feindlich“ zu übernehmen. Im Fachjargon nennt man die Investoren Rosinenpicker. Einher mit der Übernahme wird oft eine Umstrukturierung vorgenommen, bei der Arbeitskräfte freigesetzt werden. Dank der unbegrenzten Direktzahlungen je ha. Die sich aus  landwirtschaftlichen Erträgen finanzierenden Landwirten haben das Nachsehen  (auch Agrargenossenschaften)und müssen sich oft mit minder guten Standorten begnügen. Diese industrielle Unterwanderung wird meistens in den neuen Bundesländern praktiziert, da aufgrund der Zwangskollektivierung die Strukturen für die Investoren wesentlich interessanter sind als die bäuerlichen Strukturen in den alten Bundesländern. Nicht selten bewirtschaften solche Kapitalgesellschaften mehrere Zehntausend Hektar. Hinzu kommt, dass die neuen Bundesländer immer mehr zum Tummelplatz ausländischer Investoren der Veredelungsindustrie werden, deren Aktivitäten hier bei uns in Ihren Heimatländern nicht genehmigungsfähig wären. Hier müssen alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft werden, um diesen industriellen Wildwuchs zu beseitigen.  Der aktive Landwirt, einschließlich des Nebenerwerbslandwirts, muss wieder in den Mittelpunkt der Förderungsfähigkeit rücken.

Ciolos: „Eine Ausrichtung der Unterstützung ausschließlich auf aktive Landwirte und eine Vergütung der kollektiven Dienstleistungen, die sie für die Gesellschaft erbringen, würde die Wirksamkeit und Effizienz der Unterstützung steigern und die GAP noch stärker legitimieren.“

Vergütung kollektiver Dienstleistungen an der Gesellschaft

a)      Einhaltung gesetzlicher Auflagen  (obligatorisch)

Anmerkungen: Für eine nachhaltige Landwirtschaft müssen die Landwirte Bestimmungen und Standards für den Erhalt der Umwelt und der Landschaft einhalten. Sie sind unerlässlich, um eine nachhaltige Ertragskraft sicherzustellen. Die zu beachtenden  Verordnungen und Gesetze sind nur ein Minimum dessen, was notwendig ist, um die Ziele des Umweltschutzes in ihrer Gesamtheit umzusetzen.

b)      Zusätzliche Dienstleistungen für die Gesellschaft

Anmerkungen: Darüber hinausgehende Leistungen für die Umwelt, die auch der Allgemeinheit zugutekommen, sind entsprechend des Aufwandes zu honorieren. Hier müssen auf freiwilliger Basis müssen zusätzliche Umweltprogramme entwickelt werden, die  genügend Anreize zur Teilnahme an den Programmen bieten.

Ciolos: „Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Globalisierung und steigender Preisvolatilität die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu steigern und zugleich die landwirtschaftliche Erzeugung in der gesamten Europäischen Union aufrechtzuerhalten. Es geht also um ein umweltfreundliches Wachstum im Agrarsektor und der ländlichen Wirtschaft zur Verbesserung des Wohlergehens durch wirtschaftliches Wachstum unter Vermeidung von Umweltschäden.“

Wettbewerbsfähigkeit

Anmerkungen: Gemäß den Vorgaben der Kommission soll die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte im Zuge der weiteren Liberalisierung gestärkt werden. Durch unterschiedliche Strukturen und unterschiedliche Produktionsbedingungen in den einzelnen EU-Staaten werden der internationalen Wettbewerbsfähigkeit enge Grenzen gesetzt. D.h. die Produktionskosten, insbesondere im Milchsektor und in der Rindermast, liegen in den EU-Staaten meistens höher als die Weltmarktpreise. Die Landwirtschaft ist also in manchen Bereichen international nicht wettbewerbsfähig. Diese Fakten lässt der Bericht völlig außer Acht und  fordert eine weitere Erschließung der internationalen Märkte. Das kann entweder dadurch geschehen, indem höherwertige Produkte auf dem Weltmarkt angeboten werden (das ist nur begrenzt möglich), oder durch niedrige Milchpreise in Verbindung mit Exportsubventionen, die die Produkte auf Weltmarktniveau „runter subventionieren“. Dieser zweite Weg der Exportsubventionen wird zunehmend  kritischer gesehen und  in Zukunft im Europäischen Parlament nicht mehr mehrheitsfähig sein. Vor allem deshalb, weil der Europäische Rechnungshof mahnend seinen Finger erhoben hat. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass Ciolos keine geeigneten Vorschläge unterbreitet, um das Problem der Überproduktion zu lösen. Stattdessen bemüht  Ciolos gebetsmühlenartig die alten Rezepte wie: Intervention und Exportoffensive.

Ciolos: Ein starker Agrarsektor ist unverzichtbar, damit die äußerst wettbewerbsfähige Lebensmittelindustrie5 ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft und des Handels der EU bleiben kann Die EU ist der weltweit größte Exporteur von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, bei denen es sich größtenteils um Verarbeitungserzeugnisse mit hohem Mehrwert handelt.“

 

Anmerkungen: Hier wird klar und deutlich, welche Wertigkeit Ciolos der Lebensmittelindustrie beimisst. Die Lebensmittel-und die Milchindustrie wollen am Weltmarkt wachsen, da der europäische Markt nur noch begrenzt aufnahmefähig ist. Dies kann sie nur, wenn zum Beispiel auf dem Milchsektor, die Einstandspreise für die Rohmilch „flach“ gehalten werden. Diese einseitige Ausrichtung zu Lasten der Landwirte hat die Milchkrise nicht verhindert. Im Gegenteil: Die hemmungslose Produktionsausweitung ohne Markt hat das Desaster erst möglich gemacht.

 

                                     Milchindustrieverband ( Deutschland)

Der MIV-Vorsitzende Dr. Karl-Heinz Engel (Milchindustrieverband) betonte, dass sich alle Beteiligten den neuen Rahmenbedingungen werden stellen müssen. Er sprach sich für eine stärkere Liberalisierung des Milchmarktes ohne staatliche Regulierung der Vertragsbeziehungen zwischen Erzeugern und Vermarktern aus.

Dazu passt, die von Dr. Engel formulierte Position:

 

Ø  Entscheidungen über die Zukunft der Milchgarantiemengenregelung nach 2014/15 ist Sache der Milcherzeuger

Ø  Hochwald steht für eine „eventuelle“ Nachfolgeregelung nicht zur Verfügung

Dazu passt:

                           Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie ( VMI)

An die Adresse der Bauern sagte Willimann (Präsident des VMI), dass die zu große Milchmenge ein innerbäuerliches Problem sei. Und an die Politiker appellierte der VMI-Präsident, den eingeschlagenen Weg der Liberalisierung konsequent weiter zu gehen.

 

Anmerkungen: Wie sich die Interessen doch gleichen! Der Milchindustrie geht es primär nicht um die Sicherung bäuerlicher Existenzen, sondern um Marktanteile – koste es - was es wolle! Deshalb ist es erforderlich, dass die Milchbauern sich zusammenschließen, um gegenüber der Milchindustrie ihre Interessen durchzusetzen. Die Milchindustrie ist, das belegen die Äußerungen der  Verbandsfunktionäre eindeutig, nicht die Interessenvertreterin der Milchbauern. Sie ist nur an einer billigen Rohstoffbeschaffung „Milch“ interessiert. Wer das nicht begreift, dem ist beim besten Willen nicht mehr zu helfen!

                                                          Neue Rezepte müssen her!

 Deshalb müssen neue Rezepte her! Und diese Rezepte können sich nur an marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten orientieren. D.d. Die Produktion muss sich der Marktlage anpassen, wenn die Preise nicht ins Bodenlose fallen sollen (siehe letzte Milchkrise). Diese marktwirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten nimmt Ciolos bisher nicht zur Kenntnis.

Zitat Dr. Engel(MIV): Vergessen wird dabei häufig, dass Angebot und Nachfrage den Milchpreis bestimmen. Wird zu viel Milch produziert oder zu wenig nachgefragt, sinkt der Preis. Diese Regel wird auch in Zukunft gelten.

 

Anmerkungen:  Wie wahr! Recht hat er! Deshalb müssen die Milchbauern das Problem selbst in die Hand nehmen, da die Milchindustrie nicht in der Lage oder  nicht willens ist!

                                                 Nur ein Gesamtpaket macht Sinn

Unterstützung der Landwirte, bedarfsgerechte und umweltverträgliche Produktion , eingebettet in unterschiedliche Strukturen,  ist ein Paket, dass man nicht aufschnüren kann. Nur die Umsetzung als Ganzes macht Sinn und erfüllt die Forderung der Gesellschaft nach einer umweltverträglichen und vielschichtigen Landwirtschaft. Das Hineinwachsen in eine industrielle Landwirtschaft wird von der Mehrheit der Gesellschaft abgelehnt. Insoweit ist hier Handlungsbedarf angesagt.

                                                      Die Gier nach dem Weltmarkt

Da Gier bekanntlich Verstand frisst, lassen die Global-Player keine Gelegenheit aus, um den globalen Mark für sich zu reklamieren. Warnende Stimmen werden völlig außer Acht gelassen. Die Gier macht`s möglich!  Diesem Wahn scheint Ciolos ebenfalls verfallen zu sein, wenn er meint, als weltweit größter Exporteur vor Nahrungsmitteln, diesen Anspruch weiterhin aufrecht erhalten  zu müssen. Dabei ist dieser Exporterfolg in den Drittländern  mit erheblichen Exportsubventionen erkauft worden, die in Zukunft wohl wegfallen werden. Diese Exportsubventionen vernichten bäuerliche Existenzen in den Entwicklungsländern und fördern damit indirekt die Hungersnot.  Die Länder werden zunehmend abhängig von Nahrungsmittellieferungen  aus  der EU, die  sie wiederum oft nur über Kredite finanzieren können. Und diese Kredite werden, wie kann es anders sein, oft von den Exporteuren oder deren Banken gewährt. In diesem menschenverachtenden System zockt man die Entwicklungsländer mehrfach ab und zieht sie über den Tisch.

                                                                            Ende

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