Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein: Nicht wegschauen – sondern Tacheles reden!

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

EMB-Fougeres-13-09-10-015-TLandwirtschaftskammer Schleswig-Holstein:  Nicht wegschauen – sondern Tacheles reden!

Kommentar vom SV Karl-Dieter Specht

Johannes Thomsen von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein wagte auf dem „Tag des Milchviehhalters“ in Bernburg (Sachsen-Anhalt) einen Blick in die Zukunft. Er formulierte sieben Thesen, worauf sich Milcherzeuger zukünftig einstellen müssen:(Quelle: topagrar).

1.      Die Milch muss „verkauft“ werden
Thomsen bemängelte die chronisch schwache Molkereiwirtschaft in Schleswig-Holstein. Allerdings begrüßte er den anlaufenden Strukturwandel im Molkereisektor. Von den Fusionen und Kooperationen erhofft er sich weniger Preisschwankungen und höhere Milchpreise.

 

Anmerkungen: Dass  die Milch verkauft werden muss ist eine Erkenntnis, die sich mittlerweile bei allen Akteuren rumgesprochen hat. Verkaufen –besser gesagt vermarkten- setzt voraus, dass die Milchbauern auch Alternativen am Markt vorfinden. Gerade der  von Thomsen begrüßte Strukturwandel  im Molkereisektor  (siehe Deutsches Milchkontor GmbH /Hansa Arla Milch eG) vermindert erheblich die Marktmöglichkeiten der Milchbauern. Dass die genossenschaftlichen Konzerne, so wie von Thomsen erhofft, dann höhere Milchpreise auszahlen, wird durch die Praxis widerlegt. Gerade genossenschaftlichen Konzerne  haben (bisher) den Kampf um Marktanteile  auf den Rücken der Milchbauern ausgetragen. Auch das Bundeskartellamt stellt das in seinem Zwischenbericht fest. Hat denn Herr Thomsen die Kunde noch nicht vernommen?

 

2.      Die Produktionskosten haben sich erhöht
Zwar haben die Molkereien im Norden den Milchpreis in den letzten Monaten erhöht und zahlen jetzt bis zu 35 Cent/kg aus, gleichzeitig sind aber auch die Futterkosten deutlich gestiegen. So kostete ein 20/3-er Kraftfutter im Frühjahr 2010 etwa 14,20 €/dt, jetzt sind es 23,80 €/dt.

 

Anmerkungen: In 2010 lag der Milchgeldauszahlungspreis an die Milchbauern bei zirka 30 Cents/kg Milch. Die oben genannte Konzerne zahlen an die Milchbauern zwischen 30-32 Cents/kg Milch  zurzeit aus. Wer zahlt denn 35 Cents je kg Milch aus? Thomsen soll die Molkerei nennen, damit die Milchbauern wechseln können. Bei den Futterkosten hätte Thomsen gleich weiterrechnen können. Zu den von der Kammer ermittelten durchschnittlichen Produktionskosten von 35, 88 Cents/kg/Milch kämen demnach nochmals zirka 3 Cents/kg/ Milch allein an Kraftfutterkosten „neu“ hinzu.

 

Die Prämienzahlungen werden abgeschmolzen
Die Prämien machten im Jahr 2009/2010 im Schnitt der 1.300 ausgewerteten Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein 73 % vom Gewinn aus. Selbst bei dem besseren Viertel lag der Anteil noch bei 43 %. Wenn die Prämien abgeschmolzen werden, würden unter sonst gleichen Bedingungen die Gewinne und die mögliche Eigenkapitalbildung sinken.

 

Anmerkungen: Dieser Hinweis von Thomsen macht deutlich, wie wichtig in Zukunft ein kostendendeckender  Milchpreis für die Milchbauern ist. Hinzu kommt, dass Einlagerungen und Exportförderungen von Milchprodukten auf Staatskosten in Zukunft nicht mehr möglich sind. Deshalb ist es nicht zu verstehen, dass der Bauernverband und die Milchindustrie nach Produktionsausweitung rufen, obwohl für die Mehrproduktion kein Markt da ist. Hier hätte Thomsen aufgrund seiner Fachkenntnisse deutliche Worte finden müssen. Welche Konsequenzen lassen sich

aus der aggressiven Produktionsoffensive für die Milchbauern ableiten?

3.      Der Strukturwandel wird anhalten
In Schleswig-Holstein steigen jedes Jahr etwa 200 Betriebe aus der Milchproduktion aus. Das werde sich fortsetzen.

 

Anmerkungen: Strukturwandel hin oder her – zu Weltmarktbedingungen können die Milchbauern nicht produzieren.  Um das  herauszufinden, hat Schleswig-Holstein  ein Kompetenzzentrum Milch  installiert. Im Forschungsverbund Pro-Milch werden interdisziplinär  Themen rund um die Mich wissenschaftlich bearbeitet.

Prof. Dr. Latacz-Lohmann hat Im Rahmen der Hülsenberger Gespräche erste Ergebnisse zum Besten gegeben. Es wurde eine so genannte wissenschaftliche Optimierung  aller Produktionskosten auf der Datenbasis der Rinderspezialberatung  vorgenommen. Dabei kam heraus, dass der 240 Kuh-Betrieb mit Fischgretenmelkstand, ohne fremde Arbeitskräfte, die Milch zu 27-28 Cents/kg/Milch (Vollkosten) produzieren kann.  Ein Ergebnis, dem die Praxistauglichkeit fehlt.  Fernab von jeder „praktischen Realität“! Diese Frage stellte ich u.a. auch Prof. Dr. Latacz-Lohmann auf der Euro-Tier in Hannover. „Herr Professor, wie ist das Ergebnis praktisch einzuordnen?“, stelle ich die Frage, die Prof. Dr. Latacz_Lohmann wie folgt beantwortete: „Das ist nur ein wissenschaftliches Ergebnis“, sagte es und verschwand grinsend. Man kann nur mit dem Kopf schütteln welche theoretischen Anstrengungen - ohne Praxisbezug- unternommen werden, um den Gunststandort Schleswig-Holstein deutlich hervorzuheben  und  damit  die Produktionsausweitung rechtfertigt wird.

 

4.      Das Milchquotensystem wird auslaufen
2015 wird das Milchquotensystem auslaufen. Ein Nachfolgemodell erwartet Thomsen nicht.

 

Anmerkungen: Dass das bisherige Quotensystem ausläuft, davon kann man (fast) ausgehen. Was komm aber danach? Freie Milchbauern, freier Markt? Mit welchen Konsequenzen? Was bewirken die zukünftigen Ergebnisse der Doha/WTO –Runden? Wie soll es mit dem Außenschutz weitergehen? Welche Landwirtschaft können und wollen wir uns in Zukunft noch leisten? Welche Rahmenbedingungen sollen in Zukunft gelten? Fragen über Fragen! Nur eines ist sicher: Ohne entsprechende Rahmenbedingungen wird es nicht gehen!

 

5.      Zunehmende Auflagen
Hinsichtlich Bodenbewirtschaftung (Fruchtfolge), Baurecht, Tierschutz, usw. werden die Behörden zukünftig die Daumenschrauben anziehen.

 

Anmerkungen: Auch der Umwelt-und Tierschutz wird zunehmend an Bedeutung

In der Landwirtschaft gewinnen.  Die Verdichtung der Massentierhaltung in einigen Gebieten Deutschlands wird zum Problem. Die Öffentlichkeit wird durch   immer wiederkehrende Missstände in der Massentierhaltung aufgeschreckt und lehnt mittlerweile diese Art der Landwirtschaft ab. Hier liegt die Chance für die bäuerlichen Familienbetriebe.

 

6.      Harter Kampf um Boden
Durch die Biogasanlagen ist ein Kampf um Fläche entbrannt. In einigen Regionen sei schlichtweg keine Fläche mehr zu pachten und somit Wachstum nur schwer möglich.

Anmerkungen: Ein Problem, das zum Himmel stinkt. Man entlässt die Milchbauern in den „freien Markt“, um gleichzeitig die Energiebauern vor dem freien Markt zu schützen. Dieser Widersinn muss schnellstes beendet  werden. Gülle  und Abfallprodukte anstatt Mais muss die  zukünftige Devise sein.

 

 

 

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