Milchkrise : Der freie Weltmarkt soll`s richten !

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

Milchkrise :                             Der freie Weltmarkt soll`s richten !

Die Milchindustrie fährt voll auf den Weltmarkt ab. Obwohl der Vorsitzende des Milchindustrieverbandes, Dr. Karl-Heinz Engel, noch vor einiger Zeit den Weltmarkt für die europäische  Milchindustrie wegen zu hoher Kosten als nicht zielführend ansah, setzt Engel nun voll auf Export. 

 

Was stört mich mein Geschwätz von gestern

„Nach Ansicht von Engel ist die Aussicht auf dem Weltmarkt günstig. Er könne es nicht nachvollziehen, wenn der Markt von verschiedenen Leuten schon wieder schlechtgeredet werde.
Für den Hochwald-Chef ist der Export kein Überschussabsatz, sondern ein wichtiges Marktsegment. Es müssten die weltweiten Marktplätze besetzt werden. Denn die deutsche Milch habe wie andere Industrie- und Wirtschaftsprodukte gute Chancen auf dem Weltmarkt.“(
Quelle topagrar vom 19.02.20010)

Exportsubventionen liegen voll im Trend

Dazu passt eine PM von Raiffeisen: „EU-Magermilchpulverexport soll kräftig steigen
Für die Europäische Union sagt das US-Landwirtschaftsministerium eine Steigerung der Milchproduktion um 0,1 % auf 134,0 Mio. t in diesem Jahr voraus, nach einer marginalen Einschränkung im Vorjahr. Verglichen mit dem Krisenjahr 2009 werden die europäischen Exporteure gemäß den Prognosen der Washingtoner Fachleute den Absatz aller wichtigen Milchprodukte in Drittstaaten mit Ausnahme von Vollmilchpulver steigern können. Die EU-Käseexporte, die 2009 um 4 % auf 470 000 t zurückgingen, sollen um gut 1 % auf 475 000 t zunehmen. Die größten Mengen dürften dabei wieder nach Russland, in die USA, die Schweiz und nach Japan gehen. Unter der Annahme, dass die Weltmarktpreise für Magermilchpulver 2010 fest tendieren, rechnet das US-Agrarressort nach dem starken Rückgang in den vergangenen Jahren mit einem Anstieg der betreffenden EU-Ausfuhren gegenüber 2009 um mehr als ein Drittel auf 225 000 t. Laut dem Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) darf die EU maximal den Export von 323 000 t Magermilchpulver stützen. Die Butterausfuhren der Gemeinschaft erreichten 2009 lediglich 140 000 t, obgleich laut Angaben des US-Agrarministeriums rund 68 000 t davon subventioniert wurden. In diesem Jahr soll sich der Absatz von EU-Butter in Drittstaaten aber spürbar erholen; erwartet wird eine Zunahme um ein Viertel auf 175 000 t. Danach würden die Exporte allerdings noch deutlich unter dem Niveau früherer Jahre bleiben; 2005 bis 2007 führte die EU im Schnitt fast 270 000 t Butter aus. Die Vollmilchpulverexporte der Gemeinschaft sollen 2010 wie im vorigen Jahr 465 000 t erreichen.“
(Quelle:Raiffeisen)

Die Überschüsse müssen weg!

Anmerkung: Gemäß den Prognosen des US-Landwirtschaftsministeriums werden die Exporte der EU im Jahr 2010  in Drittländer kräftig steigen. Insbesondere Magermilchpulver und EU-Butter sind davon betroffen. Immerhin liegen fast 300.000t Magermilchpulver und  fast 80.000t Butter auf Halde. Diese Überschüsse müssen weg. Natürlich auf Kosten der Steuerzahler. Man spricht in diesem Zusammenhang von Exportbeihilfen. Gemäß der PM von Raiffeisen werden große Mengen  nach Russland exportiert. Und wie das bei den „russischen Bauern“ ankommt zeigen nachfolgende PM: 

Milchwirtschaft in Russland

„Zwischen falschen Hoffnungen und der Realität liegen Welten. Die Behauptung Milchwirtschaft in Russland sei ein Geschäft entspricht nicht der Realität sondern einem Trugbild, genährt aus der mangelnder Erkenntnis, was Weltwirtschaft wirklich bedeutet. Auf den ersten Blick scheinen die statistischen Zahlen des Ministeriums für Landwirtschaft allerdings denjenigen recht zu geben, die auf dem Standpunkt stehen Milchwirtschaft müsse ein lohnendes Geschäft in Russland sein.
Im ersten Halbjahr 2005 gingen die Produktionszahlen für Rohmilch gegenüber dem Vergleichszeitraum erstes Halbjahr 2004 weiter zurück, um rund 4 %. Der Hauptanteil der Rohmilch wird nach wie vor von privaten Kleinlandwirtschaften in Russland erwirtschaftet.
Kein Wunder, denn Rohmilch wird pro Liter mit einem Marktpreis zwischen 5 bis maximal 7 Rubel  in größeren Mengen an die milchverarbeitende Industrie verkauft. Längst hat sich die Milchindustrie auf Milchpulver eingestellt. Der Milchpreis in Russland richtet sich nach dem Weltmarktpreis für Pulver und eine Änderung dieser Praxis ist, solange Milchpulver insbesondere in der EU im Export hoch subventioniert, wird auch nicht in Sicht. Milchpulver ist billig, keimfrei und risikolos. Rohmilch ist bei großen Herden arbeitskraftintensiv oder benötigt sehr teure Maschinen.
Bei tiefen Milchpreisen sind jedoch die Produktionskosten für Gehälter oder die Amortisationskosten für teure Maschinen nicht realisierbar. Gewinne sind allenfalls durch manipulierte Statistiken zu erzielen, ansonsten ist die Milchwirtschaft im besten Falle kostendeckend.
So wird auch weiterhin die Mehrzahl der Frischmilch von der Oma mit ein oder zwei Kühen im Stall produziert werden
. Ohne Landwirtschaftsmitarbeiter, ohne Melkstand und Melkmaschine.
Der Konsument in der Stadt hat sich schon längst an den Vorteil gewohnt den sterilisierte Milch bietet, lange haltbar und damit bequem. Pasteurisierte Milch kommt mit einer Verbrauchszeit von wenigen Tagen dabei schlecht weg. Selber zu sterilisieren und damit eine Milch mit einer Haltbarkeit von mehreren Wochen zu produzieren, scheint schon deswegen unmöglich weil keine Kleinsterilisatoren mehr auf dem Markt angeboten werden. 2 000 l pro Stunde gelten als Usanz. Solche Anlagen kosten schnell weit über eine Viertelmillion Euro. Jeder Moskauer Supermarkt bietet heute mehr als 10 verschiedene Milchmarken an. An Milch, lange haltbar und in allen gewünschten Fettprozenten herrscht kein Mangel. Milch ist viel aber kein Geschäft in Russland. Die Milch ist ein gutes Beispiel für die Frage, was internationale Preispolitik einer nationalen Wirtschaft antun kann.“ Publikationen: SR bei
www.russlan

Quelle: Agronet Gm

Dazu  eine PM vom 29.05.2009 

„Paasch, Handelsexperte des Menschenrechtsverbands Fian, hält den Beschluss der USA für die "logische Konsequenz aus der Einführung der Milchexportsubventionen durch die EU". Die Europäer hätten die neue Subventionsrunde eröffnet.“

„Für Paasch ist es ein Skandal, dass die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner die Exportsubventionen sogar noch ausweiten wolle. Die CSU-Politikerin argumentiert, dass die verbilligten Ausfuhren vor allem in aufnahmefähige Länder wie Russland, USA oder China gehen sollten. Doch Paasch sagt: "Die EU hat Subventionen für Exporte auch in besonders arme Entwicklungsländer bewilligt."  (Quelle:tatz.de)

 

 

 Russland :                               Ist die Milch zu billig, wird der Bauer sauer

Als hätte die Landwirtschaft es wegen der Finanz- und Kreditklemme nicht schon schwer genug in der Wladimirer Region. Nein, wie das russische Sprichwort sagt, dem armen Makar fallen gleich alle Tannenzapfen auf den Kopf. Was wir aus unseren Breitengraden kennen, furcht nun auch dort die Stirn der Milchbauern mit tiefen Sorgenfalten. Die Erlöse fallen weit unter den Selbstkostenpreis. Und da den Landwirten die Politik bislang nicht helfen kann oder will, organisieren die sich nun selbst und wohl auch bald Protestveranstaltungen.“

                                                 

                                                              Milchindustrie senkt die Milchpreise

„Je nach Vertrag und Hof fehlen im Vergleich zum Vorjahr zwischen 20% und 40% in der Bilanz. Damit nicht genug. Ab dem 1. Mai wollen die drei marktbeherrschenden Abnehmer die Preise weiter drücken. In konkreten Zahlen sieht das so aus, dass “Danone” statt 8,20 Rubel nur noch 7,70 Rubel bezahlen will, der Quasimonopolist “Opolje” gibt für den Liter Milch schon seit dem 23. April nur noch 8 Rubel, und “Ehrmann” reduziert um 50 Kopeken auf 10 Rubel. Die Geschäftspläne der Genossenschaften und Höfe gehen aber von 15 Rubel pro Liter aus, um die laufenden Kredite bedienen und wirtschaftlich arbeiten zu können.“

 

                                                               Alle Bauern sitzen in einem Boot

„Bilder, wie wir sie aus deutschen Ställen kennen, wo die Milch vor lauter Ärger der Produzenten den Weg der Gülle nahm, machen in der Wladimirer Region noch nicht die Runde. Auch Blockaden und Barrikaden gehören noch nicht zum Instrumentarium des Protests. Zunächst will man friedlich gegen den Missstand vorgehen, indem zum einen alle Beteiligten – Erzeuger, Verarbeiter und Handel – an einen Tisch sollen und zum andern das Kartellamt auf das Problem angesetzt wird. Wenn man so nicht weiterkommt, muss die Politik ein Machtwort sprechen, andernfalls wird sicher auch in Wladimir mehr als nur die Milch sauer.“

 

Die Folgen der Globalisierung für die Bauern

„In der Krise stecken aber auch die Ackerbauern, so tief sogar, dass ganze Güter nicht mehr bewirtschaftet werden. Tausende von Hektar von Feldern- in manchen Kreisen knapp die Hälfte oder sogar etwas darüber – liegen brach. Doch des einen Leid ist des andern Freud. Findig-windige Bauernfänger kaufen das Ackerland zu Spottpreisen auf, wandeln es in Bauland um und veräußern es dann zu astronomischen Preisen an Datschenbauer aus der Moskauer Region. Denn die drängen aus dem Umland der Hauptstadt, wo alles, vor allem die Kosten, ganz eigenen oft ungeschriebenen Gesetzen folgt, schon seit Jahren vehement ins Nachbargouvernement Wladimir. Noch 2006 nahmen die Datschensiedlungen der Moskowiter 362 ha ein, 884 ha waren es schon ein Jahr später. Auch wenn die Bautätigkeit krisenbedingt etwas nachlässt, der Trend wird anhalten – mit allen Folgen für Landwirtschaft, Landschaftsplanung, Verkehr und Umwelt. Vor allem aber droht der fruchtbaren und zum Teil mit Schwarzerde gesegneten Region und Russland insgesamt so der Weg in die Sackgasse der Abhängigkeit von Lebensmittelimporten.“(Quelle:29. April 2009 von wladimirpeter )

Wladimirer Bauern wütend

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Mehr als tausend Mitarbeiter von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften aus dem ganzen Wladimirer Umland machten dieser Tage ihrem Ärger Luft. Am liebsten wären sie ja mit ein paar Dutzend Traktoren und anderem schweren Gerät angerückt, aber das haben ihnen die Behörden mit Verweis auf mögliche Asphaltschäden verwehrt. Auch Milch – um die geht es nämlich – hatten sie vor, wie wir das von unseren Bildschirmen her kennen, öffentlich in den Rinnstein vor dem Amtssitz des Gouverneurs zu schütten. Nun beließen sie es notgedrungen dabei, persönlich in doppelter Kohortenstärke vor dem Weißen Haus aufzuziehen und für gute Arbeit gute Entlohnung zu fordern.

In der Tat sind die Klagen berechtigt. Bei einem Selbstkostenpreis von 11 Rubel pro Liter Milch erhalten die Erzeuger gerade einmal 9 Rubel im Verkauf, wobei für ihr Produkt im Kühlfach zwischen 25 und 28 Rubel, also um die 60 Cent, verlangt wird. Kein Wunder, daß Wladimir in jüngster Zeit keine derartige Demonstration des Zorns gesehen hat. Man will nun zwar eine Kommission aus Politik und Landwirtschaft plus Handel einsetzen, aber ob die auf regionaler Ebene etwas gegen das landesweite Problem wird tun können, ist fraglich. Es geht wohl mehr um die Abkühlung der Gemüter. Und schon machen Forderungen nach einer höheren Besteuerung von Importmilch oder direkten Subventionen die Runde. Aber daß die Landwirtschaft nichts mit den Spielregeln des freien Marktes zu tun hat, wissen wir ja aus eigener leidvoller Erfahrung. Rußland hat es da auch nicht besser

Anmerkung:

Die oben aufgeführten Berichte über die Lage der Landwirtschaft in Russland sind zwar nicht allumfassend, wie könnten sie es auch! Sie zeigen aber jedoch auf dramatischer Weise, was Exporte „westlicher Prägung“ zu Dumpingpreisen für die Bauern in Russland bedeuten. Der entfesselte Marktliberalismus, frei von jedweder gesellschaftlichen Verpflichtung weltweit, treibt nicht nur die Bauern der Dritten Welt in den  Ruin sondern dieses Schicksal spielt sich auch vor unserer eigenen Haustür ab. Wer diesem entfesselten Marktliberalismus das Wort redet, der nimmt billigend die Vernichtung bäuerlicher Existenzen in Kauf. Gerade der Bauernverband und die Milchindustrie, die durch ihr Handeln diese Existenzvernichtung der Bauern international betreiben, schreien dann um Hilfe, wenn die von ihnen gewollte Überproduktion nicht zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt abgesetzt werden kann. Der Schrei dieser Lobbyisten nach  weiteren Exportbeihilfen wird immer lauter und frecher. Dabei scheuen sie nicht vor Falschinformationen  zurück. Der Zweck scheint hier alle Mittel zu heiligen!

 

Dazu eine PM vom 02.10.2009

Der Bauernverbandspräsident setzt auf eine Erhöhung der Interventionspreise sowie eine Ausweitung der Exporterstattungen und –garantien.

(Quelle: München extra)

Und wie sieht`s in der EU aus?

Dazu eine PM zur Situation in  England :

200 Betriebe ohne Milchkäufer

„Der größere Teil der DFOB-Produzenten hat zwar inzwischen einen neuen Milchabnehmer gefunden, aber rund 200 Betriebe stehen auf den 1. Juli immer noch ohne Milchkäufer da. Konkursverwalter Stephen Oldfield, von Price Waterhouse Coopers erklärte gegenüber dem Radiosender BBC, dass die restlichen Verarbeiter kein Interesse an der Milch zeigen würde, weil die Lademenge zu klein sei oder die Anfahrtstrecke zu lang wäre.“

                                               

                                                          Nicht nur die Kleinen lässt man hängen!

„Die jetzt vertragslosen Produzenten bewirtschaften aber nicht etwa nur Auslaufbetriebe. Unter ihnen hat es auch hoch spezialisierte Familienfarmen, so etwa die von Tim Gibson, der in North Yorkshire auf 120 Hektar mit dem Roboter 120 Kühe milkt. „Ich habe zwar auch für Großbritannien einen großen Milchbetrieb, aber er liegt offenbar zu weit ab von den gängigen Transportrouten“, erklärte Gibson auf Anfrage. Nun überlege er sich die Milchproduktion einzustellen und die Kühe zu verkaufen. Den Transport anderweitig organisieren, das sei wohl aussichtslos. Englands Milchproduzenten seien gegenüber der Zusammenarbeit sehr skeptisch. Kein Milchabsatz trotz Milchimport. Dass Landwirte wie Gibson keine Verarbeiter mehr finden, die ihre Tanklastwagen vorbeischicken, ist Teil eines Problems der gesamten britischen Milchwirtschaft: Unter Margendruck und wegen fehlender Rentabilität und Größe haben in den letzten Jahren in Wales, im Nordosten und im Osten Englands viele mittlere Milchverarbeiter ihre Produktion für immer eingestellt. „Was ich wirklich bizarr finde, ist, dass Großbritannien Trinkmilch importiert, während die hiesigen Milchproduzenten keine Abnehmer finden“, sagte Konkursverwalter Oldfield gegenüber BBCC.“ (Quelle: Schweizerbauer vom 14.März 2010).

Anmerkung : England, ein Land, das durch radikalen Marktliberalismus geprägt ist, gibt den Michbauern im übrigen Europa Anschauungsunterricht, was passiert, wenn Marktradikale das Heft des Handels in die Hand nehmen. Dann werden nicht nur die kleinen Betriebe aus den Markt gedrängt sondern auch jene, die durch Marktferne zu hohe Kosten verursachen. Dieses Konzept der totalen  Ökonomisierung aller bäuerlichen Lebensbereiche hat in England zur finanziellen Auszehrung der Betriebe geführt. Das Ergebnis dieser Entwicklung erleben wir also hautnah mit. Trotz aller Bekundungen ist damit zu rechnen, dass wir eine ähnliche Entwicklung nehmen, wenn nicht  den perversen Wachstumsfetischen (Marktradikale )das Handwerk gelegt wird.

 

Dazu Originalton topagrar – Elite:

„Die Farmer sehen es als immer schwerer an, sich über Wasser zu halten. Die Einnahmen aus dem Milchverkauf reichen gerade so zum Überleben, jedoch nicht für dringend erforderliche Investitionen. Deshalb lassen sich auch immer weniger junge Leute für die Milchproduktion begeistern.“

 Anmerkung:  Der Milchgürtel der USA steht vor dem gleichen Problem. Die Kinder der Farmer wollen oft ebenfalls die elterlichen Milchfarmen  nicht mehr übernehmen. Hier bietet sich für die Wachstumsfetischisten ein reiches Betätigungsfeld. Lassen wir sie doch einfach gehen !

 

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