Armut - Schicksal ohne Ende ?

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

So sehe ich das

 

Armut – Schicksal ohne Ende ?

Bevor man sich diesem Thema nähert, muss Armut erst einmal definiert werden. Statistisch anerkannt sind zwei Definitionen von Armut. Die absolute und relative Armut. Der ehemalige Präsident der Weltbank, R. S. McNamara, definiert absolute Armut wie folgt:“ Armut auf absolutem Niveau ist das Leben am äußersten Rand der Gesellschaft. Die absolut Armen sind Menschen, die unter schlimmen Entbehrungen und in einem Zustand der Verwahrlosung und Entwürdigung ums Überleben kämpfen, der unsere durch intellektuelle Phantasie und privilegierte Verhältnisse geprägte Vorstellungskraft übersteigt“. Die relative Armut wird von der WHO wie folgt definiert: Danach ist arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des aus der Einkommensverteilung seines Landes errechneten Medians zur Verfügung hat. Als armutsgefährdet werden nach EU-Definition jene Menschen bezeichnet, die weniger als 60 Prozent des Einkommens-Medians haben. Die relative Armut macht sich auch dadurch bemerkbar, dass sozio-kulturelle Angebote der Gemeinschaft nicht mehr wahrgenommen werden können und diese Personengruppe dadurch immer weiter in die gesellschaftliche Isolation gerät. In der Bundesrepublik verhindern Gesetze das Abgleiten von Personen in die absolute Armut. Betrachtet man den dritten Armutsbericht der Bundesregierung, so leben 13 Prozent der Bevölkerung in relativer Armut. Je nach Erhebungssystematik (SOEP) schwanken die Zahlen zwischen 13 und 18 Prozent. Gemäß SOEP des Wirtschaftsinstitutes DIW stieg die Armutsqoute von 1998 bis 2005 um 50 Prozent von 12 auf 18 Prozent der Bevölkerung. Da in die Berechnungen staatliche Transferleistungen mit eingeflossen sind, liegt die bereinigte Armutsquote doppelt so hoch. Diese negative Entwicklung ist durch eine Scherenentwicklung der Einkommen gekennzeichnet. Stiegen die oberen Einkommen im Zeitraum von 2002-2005 an, sanken die niedrigen Einkommen im gleichen Zeitraum. Der Gini-Koeffizient, als Maßstab einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen, hat sich von 2002 bis 2005 von 0,292 auf 0,316 verschlechtert. Damit ist die Einkommensdichte weiter auseinander gefallen und fällt hinter die der skandinavischen Länder zurück. Schuld an dieser Entwicklung ist die starke Zunahme des Niedriglohnsektors. Waren 1990 25 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor beschäftigt, so sind es heute 36,4 Prozent. Immer mehr Menschen können sich nicht mehr von „ihrer Hände Arbeit „ ernähren. Ein nicht geringer Teil dieses Niedriglohnsektors wird durch Zeitarbeit abgedeckt. Obwohl das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einen rechtlichen Rahmen für diesen Arbeitsbereich vorsieht, sieht es in der Praxis oft anders aus. So hat ein Bericht der ARD „ Leiharbeiter undercover“ schonungslos die Missstände in diesem Tätigkeitsfeld aufgedeckt. Es handelt sich hierbei um Zustände, die wir überwunden glaubten, jedoch heute mit den Lebensumständen der Tagelöhner einer längst vergangenen Epoche vergleichbar sind. Darüber hinaus werden immer mehr Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeit- bzw. Minijobs umgewandelt. Der Mittelstand, bisher eine tragende Säule unserer Demokratie, verliert zunehmend an Bedeutung. D.h. große Bereiche des Mittelstands gleiten in die Armut ab. Dadurch bricht die gesellschaftspolitisch wichtige Ausgleichsfunktion des Mittelstandes für die Gesellschaft weg. Prof. Gerhard Bosch, IAO, dazu:“ Wenn die Politik nicht gegensteuert, kann der Niedriglohnsektor in Deutschland größer werden als in den USA, wo jeder Vierte Geringverdiener ist“. Damit steht Deutschland nicht alleine dar. Die Armutsgefährdungsquote aller EU-Mitgliedstaaten hat eine Streubreite von 10 Prozent (11-21 Prozent). Die Armut in den USA liegt bei 12,7 Prozent. Eines haben alle Statistiken gemeinsam: Die Armen werden ärmer – die Reichen werden reicher! Insoweit kann man hier von einem Systemfehler des internationalen Wirtschaftssystems sprechen, der nicht alleine durch nationale Gesetzgebungen zu korrigieren ist.  Neben den Veränderungen am Arbeitsmarkt hat sich die Unternehmenskultur seit der „ Globalisierung“ stark verändert. Der Mensch als Mittelpunkt unternehmerischer Tätigkeit tritt immer mehr in den Hintergrund. Gewinnmaximierung um jeden Preis ist das Ergebnis eines zügellosen Kapitalismus, der erst durch die hemmungslose Liberalisierung des Kapitalmarktes ermöglicht wurde und deren Auswüchse wie jetzt beklagen! Nur wenn es gelingt diese Auswüchse sozial zu bändigen, kann die Unternehmenskultur wieder ein menschliches Gesicht zeigen. Das setzt aber voraus, dass es weltweit neben einer neuen Finanzordnung auch eine international verbindliche Sozialcharta geben muss. Anmerkung: In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Sozialstandard SA 8000 hin, der gewisse soziale Standards für Billiglohnländer freiwillig vorsieht. Jedoch haben sich bisher nur ca.9 Prozent der Industriebetriebe der Billiglohnländer zertifizieren lassen! Beides zusammen, Bändigung des Kapitalismus, gepaart mit einer verbindlichen Sozialcharta, können die Menschen wieder in den Mittelpunkt des Wirtschaftslebens stellen. Die Rückkehr zur Erklärung von Bretton-Woods (1944), die von den USA 1973 aufgekündigt wurde und die Neuregelung der Weltwirtschaftsordnung(NWWO)in Verbindung mit einer Erneuerung  der WTO und des IWF, könnten Ansätze für mehr Gerechtigkeit sein .Dieses setzt allerdings voraus, dass der exklusive Club der G 8 sich um die G5, G 15,G 20 und G 33 erweitert, um  gemeinsam die weltwirtschaftlichen Herausforderungen anzunehmen. Anzeichen für ein Einlenken der G8 sind z.Z. nicht zu erkennen! Das jetzige Wirtschaftssystem führt zwangsläufig zu starken Verwerfungen in allen Gesellschaften und ist nicht geeignet, die Probleme der Zukunft zu lösen. Wie sagte doch Prof.Dr.Langhammer? „Ich kann freilich nicht sagen, dass es besser werden wird, wenn es anders wird, aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll“. Recht hat er!

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