Milchkrise : Die Wandlungen und Windungen des Bauernpräsdenten
Milchkrise : Die Wandlungen und Windungen des Bauernpräsidenten
Das Handelsblatt hatte zur Jahrestagung der Agrar-und Ernährungswirtschaft nach Berlin geladen und alle kamen. Auch Bauerpräsident Gerd Sonnleitner kam und nutzte das Forum, um seine Philosophie des unternehmerischen Handelns im Bereich des Agrarsektors dem Auditorium darzulegen.
Die Milchkrise ist nicht nur konjunkturbedingt
Die Erkenntnisse des Bauernpräsidenten: „ Die Milchkrise ist nicht nur konjunkturbedingt, sondern in Deutschland auch hausgemacht“. Nach Angaben des Bauerpräsidenten muss eine Bündelung des Angebotes gegenüber der Abnehmerseite erfolgen. Zwar ist es richtig, dass eine Bündelung hilfreich sein kann. Sie wird aber dann zur Farce, wenn ein Überangebot auf den Markt drängt.
Molkereifusionen sind nicht immer erfolgreich
Auch eine Bündelung des Angebotes in Form von Molkereifusionen ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Die Nordmilch ist ein beredetes Beispiel dafür, dass Fusionen und Zusammenschlüsse nicht immer zum Erfolg führen. Bis heute liegen die Milchgeldauszahlungspreise der Nordmilch AG an die Bauern im unteren Bereich der Milchgeldauszahlungspreise der Molkereien in Deutschland. Ein neuerliches Zusammengehen der Nordmilch mit Humana, gerade durch das Bundeskartellamt genehmigt, wird an dieser Situation, so ist zu vermuten, nichts ändern. Das neue Gemeinschaftsunternehmen der Humana Milchindustrie GmbH aus Everswinkel und der Nordmilch AG Bremen wird unter dem Logo Nord Contor GmbH seine Arbeit aufnehmen.
Das Problem ist die weltweite Überproduktion
Nicht Fusionen, die zwar notwendig sind, können das Problem lösen. Das Problem ist die weltweite Überproduktion. Dazu Theo Müller, Inhaber der gleichnamigen Molkereigruppe im bayrischen Artesried:“ Weder die Discounter noch die Molkereien sind dafür verantwortlich, ob Milchpreis pro Liter 20,30 oder 40 Cents beträgt. Der Milchpreis bildet sich ausschließlich international über die Preise für Magermilchpulver und Blockbutter. Beides gibt es aber bei Aldi und Lidl nicht zu kaufen. Diese Gesetzmäßigkeit war 2007 zu beobachten, als infolge der Preissteigerungen für Magermilchpulver und Blockbutter der Preis für einen Liter Milch auf über 40 Cents stieg. Seit Mitte 2008 fallen die Preise für Pulver und Butter – und damit auch die Milchpreise“. In einem hat Müller recht: Die Höhe des Milchgeldauszahlungspreis wird zunehmend vom Preis am Weltmarkt bestimmt.
Exportsubventionen verringern das Einkommen der Michviehbetriebe
Insoweit ist die Forderung des Bauerbandes, EU- Überproduktionen durch Subventionen auf dem Weltmarkt abzusetzen, kontraproduktiv. Dumpingpreise für Milchprodukte infolge von Exportsubventionen führen wiederum zu niedrigen Weltmarktpreisen, die abermals den Milchgeldauszahlungspreis an die Bauern drücken. Im Klartext: Der Export subventionierter Milchprodukte in einen gesättigten Weltmarkt führt zu fallenden Einkommen der Michbauern. Der Steuerzahler finanziert somit die niedrigen Milchgeldauszahlungspreise an die Bauern. Schlimmer geht`s nimmer!
Die Schlitzohrigkeit der Milchindustrie
Was nun die Molkereien anbelangt, so tritt hier die Schlitzohrigkeit des Unternehmers Müller zutage. Auch die Molkereien tragen ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung an dieser Entwicklung. Waren es nicht gerade die großen Molkereien, die vehement nach Exporthilfen schrien und schreien, um ihre Weltmarktpositionen weiter auszubauen? Dabei tragen die Molkereien nur ein bedingtes Risiko, denn sie können ihre Kosten unmittelbar an die Bauern weitergeben. Die Milchindustrie kann nur am Weltmarkt erfolgreich operieren, wenn sie die Milchgeldauszahlungspreise an die Bauern niedrig hält. Das trifft auch für die Genossenschaften zu. Hier können Erzeugergemeinschaften dem zügellosen Wachsen der Milchindustrie auf Kosten der Bauern und Steuerzahler entgegenwirken.
Sind die Global-Player am Ende?
Im Zuge der Milchhausse der Jahre 2007/2008 fühlten sich alle schon als Global-Player und riefen zum ungebremsten Wachstum auf. Das Motto hieß und heißt noch heute: Nach dem Quotenausstieg geht es erst richtig los! Wir sind Gunststandort! Nur, bei einem heutigen Milchgeldauszahlungspreis von 19-25 Cents je Liter Milch kommen alle Global-Player in Erklärungsnot. Man spricht von Schwankungen am Weltmarkt, denen sich der Bauer stellen muss. Es müssen Sicherungssysteme her, die Preisschwankungen ausgleichen. Man verweist in diesem Zusammenhang auf Hermes-Bürgschaften.
Notwendige Feststellung des Bauernpräsidenten
Garniert wird das Ganze durch die Erkenntnisse des Bauerpräsidenten, so geschehen auf dem Agrarforum des Handelsblattes, dass die Landwirtschaft ohne öffentliche Subventionen am Weltmarkt nicht bestehen kann. Recht hat er, will man bäuerliche Strukturen erhalten. Aber wie soll das gehen? Diese Frage ließ der Bauerpräsident unbeantwortet.
Der Bauerverband muss sich entscheiden
Sind die Subventionen( Säule 1produktionsunabhängig)an die Bauern dazu da, um am Weltmarkt weiter wachsen zu können? D.h. der Steuerzahler finanziert in diesem Fall das ungebremste Wachstum. Oder sind die Subventionen dazu da, um bäuerliche Strukturen und damit unsere heutige Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt zu erhalten? In diesem Fall wäre es unsinnig für einen Weltmarkt zu produzieren, zu dessen Kosten man z.Z. nicht produzieren kann. Zwischen diesen Alternativen muss sich der Bauerverband entscheiden. Bis heute sieht es so aus, als ob der Bauerverband die erste Alternative favorisiert, denn wie eine immer geartete Produktionsanpassung an den Verbrauch wird kategorisch abgelehnt. Jedoch stehen Neuerungen ins Haus.
Die Wandlungen des Bauernpräsidenten
Und diese Neuerung heißt:“ Eine gemeinsame Einrichtung von Milcherzeugern und Molkereien zur ständigen Marktvorschau etablieren.“ Welch ein gewaltiger Satz zur Umschreibung des einfachen Wortes Produktionsanpassung. Dass dabei das Bundeskartellamt ein Wörtchen mitzureden hat, versteht sich von selbst. Rein vorsorglich wird schon mal die Bundeslandwirtschaftsministerin bemüht. Wenn diese Wandlungen des Bauernpräsidenten sich bewahrheiten, dann ist dies ein deutlicher Bruch mit der bisherigen Position des Bauerverbandes. Ein Bruch, der zur Hoffnung Anlass gibt.
Wie verhält sich der Bauerverband Schleswig - Holstein ?
Es bleibt abzuwarten, wie die Landesverbände reagieren. Insbesondere der Bauernverband in Schleswig-Holstein, der bisher jedwede Marktbeeinflussung ablehnt; man ist ja schließlich Gunststandort und will weiter wachen -obwohl man dafür keinen Markt hat - wird über diese Entwicklung nicht erfreut sein. Es bleibt nur zu hoffen, dass die vernunftbegabten Kräfte im Bauernverband die Oberhand gewinnen und dem sinnlosen Sterben bäuerlicher Familienbetriebe Einhalt gebieten. Das freie Spiel der Kräfte, so lehrt uns die Finanzkrise, hat zu sozialen Verwerfungen geführt, deren Kosten die Allgemeinheit heute tragen muss. Auch in der Milchindustrie, in den Berufsverbänden und in der Wissenschaft gibt es Persönlichkeiten, die diese schmerzlichen Erfahrungen noch nicht verinnerlicht haben