Milchkrise : Fragwürdige Wahlmöglichkeiten

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

 Milchkrise :                                        Fragwürdige  Wahlmöglichkeiten

Die Zeit vor einer Wahl wird – insbesondere von der landw. Fachpresse – oft dazu genutzt durch   richtungsweisende Kommentare  Einfluss auf die Wahlentscheidung ihrer Leser zu nehmen. Da werden Fragebögen an die Politiker verschickt, Statements veröffentlicht, Interviews abgehalten und oft mit dem Ziel, die eigene Weltanschauung der Dinge im Großen und Ganzen bestätigt zu sehen. Ein durchaus legitimes Anliegen, denn man will ja „seine Politik“  verkaufen.

Eine seltsame Übereinstimmung

 Wenn aber dann der Schreiber des Bauernblattes Schleswig-Holstein, Sönke Hauschild, eine große Übereinstimmung in der Milchpolitik zwischen den Parteien  sieht, dann sind entweder die Fragen falsch gestellt oder es darf nicht sein, was nicht ins Konzept passt. Natürlich macht Hausschild auch Vorschläge. Dafür wird er ja bezahlt. Im Gegensatz zu früher  flüstert er heute, da es sich nicht mehr schickt, ganz vorsichtig unter vorgehaltener Hand, damit es auch alle hören können:

 

Also doch: Wachsen oder Weichen !

Ja, die Milchbetriebe haben eine Wahl und die heißt: Wachsen oder weichen“. Natürlich ist nichts gegen ein maßvolles und umweltverträgliches Wachstum zu sagen, aber bitte mit Verstand, Augenmaß, dem Markt und der Umwelt angepasst. Und dieses Augenmaß fehlt zurzeit, auch wenn noch so leise geflüstert wird (aus  Wölfen kann man eben keine Schafe machen). Inspiriert durch ein Gutachten über das Milcherzeugungspotential in Schleswig-Holstein hat man sich in eine Philosophie des Wachstums verrannt,  die darin gipfelt, dass der Markt allein aus sich heraus das Wachstum fordert. Eine fatale Einschätzung, die an der Realität des Marktes schon heute gescheitert ist. Der Bauer bezahlt die Zeche und nicht die  Schreiberlinge und Funktionäre.

 

Gunststandort Schleswig -Holstein

 Mit geschwollener Brust, damit es ja alle hören, kehrte und kehrt man den Gunststandort Schleswig-Holstein heraus. Mehr noch: man sagt auch gleich den Mitbewerbern, wo der Bartl den Most herholt! 74 Prozent mehr Milch kann das Land bis 2020 produzieren. Nur weg mit der Quote! Schleswig-Holstein kommt!  Es lebe der freie Markt! Wachsen oder weichen ist nicht waschweich, sondern knallhart!  Unternehmerisches Risiko muss sich lohnen!  Schleswig-Holsteins Betriebe haben sich schon längst auf den Markt eingestellt! Mit solchen plakativen und provozierenden Sprüchen befeuert man nur das Konkurrenzdenken zwischen den Bundesländern und trägt somit mittelbar zu einem ruinösen Wettbewerb   bei, an deren Ende die Bauern die Verlierer sind. Die Heuschrecken lassen grüßen! 

 

Fragwürdige Befragung

Als Grundlage dieses Husarenritts dient eine Befragung von 4.141 im LKV organisierten Milcherzeuger Schleswig-Holsteins.1351 Fragebogen konnten ausgewertet werden. Gegenüber der Gesamtzahl der Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein von 5.352 entspricht das einem Prozentsatz von 25 Prozent. Von  diesen 1.351 Betrieben wollen (2008!)  901 Betriebe wachsen. D.h. 17 Prozent der Betriebe streben ein Wachstum an. Ihnen stehen dann, wie gesagt, jährlich 1, 7 Mrd. kg mehr Milch als Wachstumspotential zur Verfügung. Das entspricht einem Mengenzuwachs je Betrieb von 1,9Mill. kg. Bei einem durchschnittlichen Kuhbestand von 75 Milchkühen je Betrieb und einer Leistung von ca. 8.000 kg/a/Milchkuh müssten die Wachstumsbetriebe ihre Bestände  bis 2020  um 238 Milchkühe  auf insgesamt 313 Kühe je Betrieb  aufstocken . Zur Orientierung : 10 Milchviehbetriebe von insgesamt 5.352 Betrieben erreichen heute diese Größenordnung.

 

 

 

 

Illusionen der Wachstumsfetischisten

Da allerdings die Wachstumsbetriebe in den nächsten fünf Jahren ihre Betriebe nur um 20 Milchkühe aufstocken wollen, sind das Wunschvorstellungen der Wachstumsfetischisten, die keinen realen Hintergrund haben. Im Gegenteil: Sie richten nur Schaden an! Hinzu kommen  noch jene Mengen, die durch die Aufgabe von Milchviehbetrieben freigesetzt werden. Darüber hinaus gibt es für die angedachte Mehrproduktion keinen Markt.

 

Stehen andere Interessen dahinter ?

 Angesichts dieser Fakten fragt man sich allen Ernstes, warum der Kommentator und die Hintermänner diese Wachstumsschiene mit unverminderter Härte weiter fahren. Stehen vielleicht andere Interessen dahinter ? Anstatt die Realitäten anzuerkennen und sich damit am Markt vernünftig zu organisieren, haut man weiter auf die Pauke!  Mit dieser Politik des „kopflosen Wachstums um jeden Preis“ werden auch die Wachstumsbetriebe gefährdet.

 

 

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