Agrar-Kommissar Ciolos : Die Gesellschaft ist gefordert !

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

26.04.2010 09;58;26Agrarkommissar Dacian Ciolos: Die GAP muss auf eine breitere gesellschaftliche Basis gestellt werden!

Diesen Anspruch des neuen EU-Agrarkommissars, Dacian Ciolos, die Zukunft der europäischen Agrarpolitik auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen ist genau das, was notwendig ist, um die Allgemeinverständlichkeit der GAP für alle Europäer zu  erreichen. Das bedeutet, dass alle EU-Bürger, die sich für den ländlichen Raum und deren Bedürfnisse interessieren, durch ihre Beiträge diesen mitgestalten können.  Dabei spielt die“ gerechte  Zukunft „ einer naturraumprägenden Landwirtschaft“ in allen Regionen der EU eine besondere Rolle.

Gibt es einen  Schulterschluss zwischen Lobbyismus und Gesellschaft?

 Um diesen Schulterschluss zwischen Gesellschaft und Lobbyismus herzustellen, ruft  Dacian Ciolos alle Interessierten Bürger der EU  dazu auf, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Ein lobenswerter Ansatz, der aber nur dann Früchte tragen kann, wenn es zu einer „Waffengleichheit“ zwischen Lobbyismus und Gesellschaft kommt. Nicht der Markt allein ist das Maß aller Dinge sondern der Rahmen, in dem sich der Markt vollzieht. Dieser Rahmen wird (bisher) nur von den Lobbyisten gestaltet, die ja zu Hauf in Brüssel und Berlin sitzen. Dabei können sich die Lobbyisten die besten Fachleute leisten, da sie über die finanziellen Mittel verfügen und somit erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung  der Entscheidungsträger ausüben. Man darf also gespannt sein, wer die Auswertung der eingesandten Beiträge an den EU-Agrarkommissar vornimmt – hoffentlich „nicht nur“ die Lobbyisten! Wenn ja – dann steht das Ergebnis schon heute fest! - Wachsen und Weichen um jeden Preis !

 Kommen wir zum Märchen der Ökonomisierung

Schon lange  wird  die  Philosophie der totalen Ökonomisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft, losgelöst von ihrer gesellschaftlichen, naturschützenden und kulturellen Verantwortung, von der Mehrheit der Gesellschaft nicht mehr getragen. (In einer Studie der EU haben sich über 80 Prozent der Gesellschaft für eine nachhaltige Landwirtschaft ausgesprochen). Dennoch wird weiter auf Wachstum gesetzt. Man  spricht nicht mehr vom natürlichen Strukturwandel, sondern dieser Wandel muss sich in großen Schritten vollziehen. Man spricht nicht mehr von Kuhbeständen mit 60 Kühen sondern 300 Kühe  und mehr werden als vorläufiges Ziel ausgegeben. Man spricht nicht mehr von Mastschweinebeständen mit 500-1.000 Tieren, sondern  10.000 und mehr  Tiere je Betrieb sind jetzt der Hit. Man spricht nicht mehr von 6o.ooo  Hähnchenmastplätzen sondern von 500.000 Plätzen und mehr. Man will genmanipolierte  Pflanzen obwohl die Gesellschaft das ablehnt.  Dieser Trends machen deutlich, dass Lobbyisten die Marschrichtung bestimmen und sich nicht um „gesellschaftliche Befindlichkeiten“ scheren. Das Zauberwort dieser Lobbyisten, mit dem alle Bedenken zugeschüttet werden, heißt „Globalisierung.“

Im Klartext:  Die totale Ökonomisierung aller landwirtschaftlichen Lebens-und Arbeitsbereiche führt zum Kahlschlag ländlicher Strukturen, vernichtet Arbeitsplätze, führt zur Verarmung der ländlichen Räume und lässt keine nachhaltige Landwirtschaft zu.

 

              Kommen wir zum Märchen  vom Wachsen und Weichen trotz Überproduktion!

 In den von mir zitierten Produktionsbereichen  herrscht Überproduktion. D.h. es werden

landwirtschaftliche Erzeugnisse produziert, die oft auf dem globalen Markt zu kostendeckenden Preisen nicht absetzbar sind. Um dennoch weiter wachsen zu können, greift der Staat in das Marktgeschehen ein und lagert die“ überschüssige“ Produktion ein. Diese wird dann zur gegebenen Zeit auf dem Weltmarkt mit Hilfe von Steuermitteln wieder verramscht.

Im Klartext: Wachsen ohne Markt ist aberwitzig, kostet, wie dargelegt, Steuergelder und zehrt die Betriebe finanziell aus, da eine Überproduktion keine kostendeckenden Preise für die Bauern zulässt.

 

Kommen wir zum Märchen der Wettbewerbsfähigkeit

Die Lobbyisten behaupten, nur Wachstum kann uns auf dem Weltmarkt  konkurrenzfähig machen. Schaut man sich die Produktionskosten landwirtschaftlicher Produkte weltweit einmal genauer an,  so stellt man fest, dass wir in vielen Bereichen nicht konkurrenzfähig. sind. Die Gründe dafür liegen u.a. in den unterschiedlichen natürlichen Voraussetzungen der Produktionsstandorte, ihrer sozialen Struktur, der Verfügbarkeit von Produktionsmitteln,  ihren sozialen  und ökologischen Standards, der gesetzlichen Rahmenbedingungen usw.

Im Klartext: Wachstum stellt noch lange keine Wettbewerbsfähigkeit her, wenn die Produktionsvoraussetzungen, wie dargelegt, weltweit  zu unterschiedlich sind. Aktuell: Neuseeland bläst zur Kostenführerschaft in der Milchproduktion. Weißrussland (Belorußland) will in den Europäischen Milchmarkt eingreifen.

 

Kommen wir zum Märchen der nachhaltigen Landwirtschaft

Die  Lobbyisten behaupten, dass von ihnen geforderte Wachstum ist mit einer nachhaltigen Landwirtschaft vereinbar. Mehr noch: In größeren Einheiten lassen sich die Ziele einer nachhaltigen Landwirtschaft besser umsetzen. Dabei wird wissentlich verschwiegen, dass gerade die Verdichtung der tierischen Veredelung in manchen Regionen zu erheblichen Umweltproblemen führt. Ein Gutachten der Deutschen Bank führt dazu folgendes aus: „Eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen ( Boden, Wasser und Biodiversität )und die Bewahrung gesunder Agrosysteme sind von entscheidender Bedeutung, um die landwirtschaftliche Produktivität und die langfristige Lebensmittelsicherheit in der EU zu bewahren.

Im Klartext: Die von den Lobbyisten propagierte weitere Intensivierung der Landwirtschaft entspricht nicht den Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft. Im Gegenteil:“ Die zurzeit geltenden Förderungsrichtlinien begünstigen in hohem Maße die wettbewerbsfähigsten und intensivsten Sektoren und Bauern.“

 

 

Was sagt uns das?

An den dargelegten Widersprüchen wird deutlich, dass wir die „Neugestaltung der GAP“ nicht allein den Lobbyisten überlassen können. Denn diese haben sich schon lange den Kontakt zur Gesellschaft verloren.

Im Gegensatz zu den Lobbyisten will die Gesellschaft:

Ø  Keine Industrielle Landwirtschaft

Ø  Keine großflächigen Agrarwüsten

Ø  Keine ausgeräumten Naturlandschaften

Ø  Keine genmanipolierten Pflanzen

Ø  Keine belasteten Böden usw.

Ø   

Die Gesellschaft fordert:

Ø  Sicherung der bäuerlichen Landwirtschaft in den unterschiedlichen Facetten

Ø  Erhaltung und Sicherung der strukturellen und kulturellen Vielfalt der Länder

Ø  Einschränkung der Massentierhaltung

Ø  Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft in allen Regionen usw.

 

 Also packen wir es  an!

Um sich einen Überblick über alle gesellschaftlichen Strömungen in Sachen Weiterentwicklung der GAP zu machen, hat EU-Agarkommissar Dacian Ciolos alle EU-Bürger aufgerufen, sich mit Vorschlägen, Anregungen u.  Kritik an der Diskussion um die Weiterentwicklung der GAP zu beteiligen. Mit diesem Angebot will Ciolos den Schulterschluss mit der Gesellschaft suchen. Zu diesem Zweck wurde die  Internet-Webseite ( http://ec.europa.eu/agriculture/cap-debate  eingerichtet. Es bleibt nur zu hoffen, dass viele Bauern und Bürger diese  Chance nutzen, um kundzutun, was die Gesellschaft wirklich will. Beteiligen Sie sich an der Diskussion! Wir können und dürfen das Feld nicht allein den Lobbyisten überlassen!  Also packen wir es an !

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post
D
<br /> Ausgezeichneter Beitrag. Selten findet man leider solche hochwertigen Artikel im Internet.<br /> <br /> <br />
Antworten