Milchkrise : Setzt Not rationales Denken frei?

Veröffentlicht auf von Karl-Dieter Specht

Milchkrise:                                 Setzt Not rationales Denken frei ?

Das Land Schleswig-Holstein hat mit sofortiger Wirkung u.a. die Förderung von Stallneubauten für Milchvieh bis auf weiteres gestoppt. Diese finanzierten und geförderten Stallneubauten und Ergänzungen waren bzw. sind oft mit Betriebserweiterungen verbunden( Aufhebung des Milchquotennachweises ab 2007 / PM des BELV vom 18.03.2009). Es wird bzw. wurde(Schleswig-Holstein) in einen Markt investiert, der nicht mehr aufnahmefähig ist und somit keine nachhaltige Rendite für die Milchbauern  erwarten lässt.

         

              In Schleswig-Holstein hält die (fast) Realität Einzug - auch in den anderen Bundesländern?

Man sollte nun meinen, dass die Einschätzung der realen Marktlage die Ministerin dazu bewogen hat das Programm zu stoppen. Weit gefehlt ! Allein die katastrophale finanzielle Lage des Landes hat die Ministerin zu diesem Schritt bewogen. Insoweit können Notlagen die Vernunft befördern und zu richtigen Entscheidungen führen. Diese Entscheidung muss die Ministerin zum Anlass nehmen, um mit ihren Ministerkolleginnen/Kollegen der anderen Bundesländern  die Stallbauförderung, soweit es sich um Erweiterungen handelt, kritisch unter die Lupe zu nehmen. Es macht keinen Sinn die Milchproduktion durch staatlich geförderte Investitionen anzukurbeln, wenn der Absatz fehlt. Da aber Gier bekanntlich Hirn frisst, so ist zu vermuten, dass eine Einigung ( wenn überhaupt) nur schwer zu erreichen ist.   Nur wenn es gelingt durch geeignete Maßnahmen den Mengendruck vom Markt zu nehmen, ist Besserung in Sicht. Der jetzt wieder einsetzende Verfall der Butterpreise ist das Ergebnis der  Überproduktion. Diese Tatsache wird auch von der Milchindustrie so gesehen, die zur Entlastung des Marktes Exporterstattungen fordert. Die EU-Kommission hat die Exporterstattungen von 699,0 Mio. (2009) auf 717,1 Mio. €  2010 erhöht.

Der Überschuss muss ja auf dem Weltmarkt verschleudert werden.

 

Bitte nicht nachdenken!

Exkurs: Es werden mit staatlichen Geldern Stallneubauten zur Erweiterung der Milchproduktion finanziert, in einen Markt hinein, der gesättigt ist. Die so staatlich  geförderte Überproduktion findet keinen Absatz. Deshalb wird die Überproduktion  vom Staat in Form von Butter und Pulver  zu festgesetzten Interventionspreisen aufgekauft und mit hohen Kosten eingelagert. Da aber die eingelagerten Butter-und Pulverbestände auf dem Weltmarkt zu den Einstandspreisen meistens keine Käufer finden, muss der Staat nochmals Geld in die Hand nehmen, um die Lagerbestände (Überschüsse) loszuwerden. Diese auf dem Weltmarkt durch Exportbeihilfen veräußerten Überschüsse drücken wiederum den Weltmarktpreis für Milch und damit auch den Milchgeldauszahlungspreis der Milchbauern. Damit der Milchgeldauszahlungspreis nicht unter die Interventionsschwelle fällt, werden wieder Aufkaufaktionen des Staates nötig, und das Subventionskarussell  dreht sich von Neuem.

Wie lange geht das noch gut?

 

Sollen wir uns die Preis kaputtmachen?

Selbst  Meiereiexperten warnen von einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb.“Sollen wir uns den alle Preis kaputtmachen“, fragt besorgt ein Insider.      Nur der Bauerverband sieht das anders: In regelmäßigen Abständen müssen  Einzelhandel/Discounter herhalten, werden beschimpft -man spricht sogar von unmoralischem Handeln-die nur darauf aus sind ihre Marktmacht zu Lasten der Milchbauern zu missbrauchen. Zugegeben, die Einzelhändler/Discounter sind keine Engel, sie folgen aber nur den Gesetzen des Marktes. Und dieses Gesetz lautet schlicht und einfach:“Angebot und Nachfrage regeln den Preis!“

 

Die unendliche Verweigerung

 Und diese Gesetze des Marktes erkennt der Bauernverband nicht  an (oder er will nicht). Mit dieser Verweigerungshaltung gefährdet der Bauernverband die bäuerlichen Strukturen. Ein Hauen und Stechen zwischen Nord und Süd, Ost und West gehört mittlerweile zu Ritual der Landes-Bauerverbände untereinander. Beschimpfungen jedweder Art sind zu hören und zu lesen. In regelmäßigen Abständen wird durch Bauernfunktionäre die Einheit des Berufsstandes gefordert, wohl wissend, dass sie  oft selbst   ein Teil des Problems sind.

 

Die Heilsbringer

In dieser Gemengelage tummeln sich „so genannte“ Agrar-Redakteure und bringen Heilsbotschaften unter das Bauernvolk: „ Ihr müsst antizyklisch investieren, der Markt ist knallhart,  ihr müsst zu den Besten gehören, nur wer wächst hat eine Chance, wenn 200 Kühe nicht reichen, dann müssen eben 300 Kühe her, nehmt euch ein Beispiel an den Wachstumsbetrieben in Norddeutschland, die die Marschrichtung  bestimmen, der globale Markt ist unsere Zukunft usw.“Dieses Sammelsurium von Denkanstößen und Heilslehren, zum Teil betriebswirtschaftlich und weltwirtschaftlich nicht belegbar, schafft ein Klima, in dem rationales Denken und umsichtiges Handeln Fremdworte sind. Es führt zu einem unkontrollierbaren Wachstum( in der Medizin nennt man so etwas Krebs), das die Betriebe finanziell auszehrt, da sie zu Weltmarktbedingungen zurzeit nicht produzieren können.  

 

FDP - Wie Kai aus der Kiste

Zu allem Überfluss meldet sich nun auch die FDP zu Wort. Reichlich durchgeschüttelt vom Absturz in der Wählergunst bläst sie nun zur Attacke: Angesteckt von den Dänen fordert sie nun auch den radikalen Abbau der landwirtschaftlichen Subventionen. Das kommt natürlich beim Wähler gut an! „Spaß-Guido“ hat in Sachen  Hartz IV nachgelegt. Nur bei der Beschaffung der Steuerdateien von Steuerhinterziehern durch den Staat erschlafft „Guidos Energie“.  Es könnte ja die Klientel der FDP betreffen! Die Bauern scheinen wohl nicht mit von der Partie zu sein, denn sie benötigen ihr Geld zur Existenzsicherung(wenn  noch was da ist). Allein die Tatsache dieses Denkansatzes ruft in voller Sorge den Bauernverband auf den Plan. „Dann hätten wir ja amerikanische Verhältnisse“, tönt es aus der Denkzentrale des Bauerverbandes. Diese Aufregung ist völlig unbegründet, denn, vielleicht haben es die Verbandsfunktionäre noch nicht bemerkt (oder wollen es nicht), bewegen wir uns  schon längst in diese Richtung. Durch die permanente Weigerung  der Verbandsfunktionäre Marktrealitäten anzuerkennen schaffen sie ein Klima, in dem die Forderung der FDP Wirklichkeit werden kann.

 

Was schert uns der Markt – wir wollen produzieren!

Schon die Vorbereitung  der Milchbauern durch den Bauernverband/Milchindustrie auf den Ausstieg aus dem Quoten-System lässt nichts Gutes erahnen. Obwohl kein Markt für die Mehrproduktion da ist, befeuert man in allen Landesverbänden und Bundesländern das Wachstum. Umfangreiche Förderungsprogramme sind oder werden aufgelegt, um Wachstum zu generieren. Mehr noch: Ab 20015 (Ende der Quote) wird der Kuchen neu verteilt und da will man natürlich kräftig mitmischen. Diese Strategie des permanenten Mengendrucks drückt natürlich den Milchgeldauszahlungspreis, was ganz im Sinne der Milchindustrie ist. Die will natürlich weiter expandieren und gibt schon heute eine Abnahmegarantie  auf jene Milch ab, die die Milchbauern in Zukunft liefern werden. Durch diese vorauseilende Zusage wird die Verhandlungsposition der Milchindustrie (insbesondere der Genossenschaften)  schon heute gegenüber dem LEH geschwächt. Da aber diese Mehrmengen nur auf dem Weltmarkt abzusetzen sind, passt eben kein auskömmlicher Milchpreis in diese Landschaft.

 

Ist die Größe das Gebot der Stunde?

Gegen den erneuten Verfall der Butterpreise will man verstärkt die Molkereistrukturen straffen, um den Discounter Parole bieten zu können. Dabei wird bewusst oder unbewusst übersehen, dass nicht die Discounter das Problem sind sondern die Überproduktion. Eine weitere Straffung der Molkereistrukturen führt zwangsläufig zu größeren Einzugsgebieten. Diese Einzugsgebiete werden dann in der Regel nur noch von einer Molkerei bedient. Damit wird ein Wechsel der Molkerei für die Milchbauern (fast) unmöglich. In einer  solchen Erfassungsstruktur findet kein Wettbewerb mehr statt.  Hier ist vom Kartellamt zu prüfen, ob eine solche flächendeckende Monopolisierung der Erfassung gegen kartellrechtliche Bestimmungen verstößt. Durch Ausgliederung von genossenschaftlichen Unternehmensteilen in andere Rechtsformen wird die Einflussnahme der Eigentümer (Genossen) erheblich eingeschränkt. Hier muss von Seiten der Genossen energisch gegengesteuert werden, wenn sie die Kontrolle über ihr Unternehmen nicht ganz verlieren wollen. Insoweit sind die Milchbauern das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette.

 

Experten reden Klartext

Dazu Prof.Dr. Rainer Lademann  (Unternehmensberatung Lademann & Associates) : „Doch auch wenn die Industrie weniger Ausweichmöglichkeiten hat als der Handel, die Exportmöglichkeit gleicht dieses Ungleichgewicht wieder aus. Milchbauern haben diese Chance nicht oder nur bedingt, sie hängen in langfristigen Lieferverträgen mit genossenschaftlich organisierten Molkereien fest und erfahren erst lange nach dem Verkauf der Ware, welchen Preis sie schließlich dafür bekommen. Damit sind sie neben den Verbrauchern das schwächste Glied in der Kette.“

Weiter heißt es:„Der scharfe Wettbewerb und die große Marktmacht des Handels liegt bei Molkereiprodukten daran, dass die Abnehmer genau wissen, dass die Verarbeiter auf der Ware sitzen und verpflichtet sind, sie den Landwirten abzunehmen. Die hohe Preis- und Markttransparenz schwächt die Position der Molkereien zusätzlich, "so  Prof. Dr. Lademann. „Diesen wiederum fehlt der Anreiz, sich bei den Verhandlungen durchzusetzen.“ Denn die Landwirte haben bereits geliefert und müssen sich mit dem zufrieden geben, was sie schließlich an Überschuss ausgezahlt bekommen,“ bemängelte auch Eva-Maria Schulze vom Bundeskartellamt. „Es könnte zu mehr Wettbewerb kommen, wenn keine Vergleichspreisrechnung durchgeführt werden würde", war sich Schulze sicher. Lademann sieht hier ebenfalls das Problem: „Wir müssen die Verträge zwischen Bauern und aufnehmender Hand in den Griff kriegen, um wieder Luft in die Kalkulation der Milchproduzenten zu bekommen“, forderte der Wettbewerbsexperte.

 

                                                                Empfehlung des Bundeskartellamtes

Eva-Marias Schulz Vorschlag an die Landwirte: „Das Kartellrecht sehe viele Ausnahmen für landwirtschaftliche Erzeugergemeinschaften vor, um sich besser zu positionieren und ihre Mengen zu bündeln. Diese Möglichkeiten würden noch zu wenig genutzt. Bisher schaffe es nur eine Erzeugergemeinschaft  durch ihre Größe wirklich Druck auf ihre Abnehmer ausüben.“

Kommentar  meinerseits: Dem ist nichts hinzuzufügen!

.                                                Wann setzt sich endlich die Vernunft durch?

Anstatt die Wachstumsgier und den Neidkomplex immer wieder zu befeuern, ist es notwendig,  unter allen am Markt beteiligten Gruppen Gemeinsamkeiten zur Lösung des Überschussproblems zu suchen. Hier scheinen die noch zu bildenden Erzeugergemeinschaften die richtige Antwort geben zu können (die Genossenschaften müssen neu ausgerichtet werden). Nur wenn das gelingt – es muss gelingen! -kann die  Zukunft der bäuerlichen Milchviehbetriebe als gesichert angesehen werden. Der Europäische Rechnungshof hat eine Einigung angemahnt.

 

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